Die Tochter der Konkubine
Körper und deine Seele … aber es gibt eine Möglichkeit, sie zu deinem Nutzen einzusetzen. Ich habe ein Dutzend Mädchen, die nicht älter waren als du, durch diese Tore kommen
und gehen sehen. Wenn sie ihm gefielen, war ihr Leben erträglich, aber wenn er sie sattbekam, verkaufte er sie, so wie ich ein Huhn oder eine Ente verkaufen würde.«
Ah-Soo blickte über ihre Schulter, um zu prüfen, ob sie auch wirklich allein waren. »Hör mir gut zu! Nochmal können wir darüber nicht sprechen. Der fette Fan ist dumm und faul. Er verlässt dieses Haus kaum. Die Wurstherstellung wird Ah-Kwok überlassen, dem Pförtner. Das Geschäftliche erledigt Fan-Tai, die erste Ehefrau, die langsam an Schwindsucht stirbt. Er fürchtet sich vor ihr und wartet ungeduldig auf ihr Ableben. Die Pfeife hat ihm so sicher den Schneid abgekauft, wie der Fall der Ching ihm seine Würde genommen hat, und er lässt sich leicht übertölpeln. Den Wert eines Juwels würde er selbst dann nicht erkennen, wenn er es in seiner gierigen Hand hielte.«
Ah-Soo senkte ihre Stimme noch mehr. »Hier in Macao gibt es eine Frau, die solche Juwelen in vielen entfernten Gegenden sucht und eine Expertin darin ist, sie zu beurteilen. Es heißt, inzwischen besitze sie fünfmal so viel Gold wie sie wiege, und bei denen, auf die es ankommt, ist sie auch hochrespektiert. Unter ihnen ist sie als Tamiko-san bekannt, die Goldene, die die Taverne der herabstürzenden Juwelen besitzt. Für jemanden so Erlesenes wie dich würde sie gut bezahlen.«
»Wie kann mir das bei der Suche nach meinem Vater helfen?«
In Ah-Soos Antwort schwang Ungeduld mit. »Die Taverne der herabstürzenden Juwelen ist das berühmteste Opiumhaus in ganz Macao. Nur die reichsten Taipans ruhen sich dort auf ihren goldenen Diwanen aus und genießen die Gefälligkeiten ihrer wertvollen Juwelen.«
»Befinden sich Ausländer - welche von westlichem Blut - unter diesen Taipans? Würde ich solche Leute kennenlernen, könnte ich mit ihnen sprechen? Könnten sie mich zu meinem Vater führen?«
Unsicher, was sie antworten sollte, dachte Ah-Soo einen Augenblick nach. »Ich bin eine wertlose Frau, die wenig von den Dingen weiß, nach denen du trachtest - der Liebe und Fürsorge einer Familie,
einem Heim und einer Zukunft. Ich habe nichts mehr, wonach ich suchen könnte, aber in dir sehe ich das Licht der Hoffnung. Wen du vielleicht findest oder auch nicht, kann ich dir nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich auf dem Markt gehört habe, dass Männer von Macht und großem Reichtum die Schätze der Taverne begehren. Dass die Bewohner des Goldenen Hügels Hongkongs Tamiko-san ihre Geheimnisse anvertrauen.«
Ah-Soo stand auf, leerte ihre Tasse zwischen den Kohlköpfen aus und streckte sich. »Normalerweise gebe ich keine Ratschläge.« Sie seufzte resigniert. »Ein Herd ist wie der andere, und ich bin zu alt und zu hässlich für etwas anderes. Aber du bist jung, und wenn es stimmt, was du sagst, dann könnte dir in der Zukunft großes Glück beschieden sein. Du bist jarp-jung , in jeder Hinsicht anders, und ich beneide dich nicht um den Weg, der vor dir liegt … aber ich verrate dir, welche Fluchtmöglichkeiten ich kenne. Die Entscheidung liegt dann bei dir.«
Dem Küchenkalender zufolge war Siu-Sing seit drei Wochen im Haus des Doppelten Glücks, als die Jade-Amahs sie ohne Vorwarnung holen kamen. Es war spät, ein üppiges Abendessen war vorgekostet und verspeist worden. Sie befahlen ihr, sich zu waschen, und gaben ihr ein schlichtes Gewand aus weißer Baumwolle, das sie anziehen sollte und sonst nichts. Dann wurde sie ohne ein weiteres Wort in die Privatgemächer Fan-Lu-Weis geführt.
In dem durch Gaslampen beleuchteten Korridor war es stickig durch die Essensgerüche und fehlende Frischluftzufuhr. Siu-Sing fürchtete sich nicht, sondern war auf die Prüfung, die ihr bevorstand, vorbereitet.
»Das ist die neue mooi-jai , Lo-Yeh.« Eine der Amahs sprach leise in den Schatten, die andere ging zu dem Schrein eines liegenden Buddhas, der in blutrotes Licht getaucht war. Mit großer Sorgfalt verband sie ihm die alles sehenden Augen. Dann verließen die Amahs nach drei tiefen Verbeugungen den Raum und schlossen leise die Tür hinter sich.
Eine Gaslampe warf farbige Lichtmuster an die Wände des halbdunklen, von Opiumrauch geschwängerten Raums. »Du brauchst keine Angst zu haben«, vernahm sie die dünne, weibische Stimme des einstigen Mandarins. »Die Götter können dich nicht sehen. Dieser Raum ist für
Weitere Kostenlose Bücher