Die Tochter der Konkubine
reichem Maße. Ich kenne das chinesische Wort für Würde nicht, aber die hatte sie auch reichlich. Das Gleiche gilt für Mut … in dieser Hinsicht konnte sie es mit jedem Mann aufnehmen, nur redete sie nicht so viel davon.«
Er ließ die Münze ein letztes Mal kreiseln, dann reichte er sie ihr. »Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Suche. Die Japaner haben nichts schriftlich niedergelegt … was sie nicht gebrauchen
konnten, haben sie verbrannt. Nehmen Sie diese Münze. Vielleicht bringt sie Ihnen Glück. Wenn Sie Ben finden, zeigen Sie sie ihm, und er weiß, dass ich sie Ihnen gegeben habe. Ich würde Ihnen helfen, wenn ich könnte, aber ich bin vor zehn Jahren an diesen Strand gespült worden und gehe nicht davon aus, ihn lebend zu verlassen.« Er lächelte kläglich. »Mit dem Schiffsvolk habe ich eine Abmachung … wenn ich das Zeitliche gesegnet habe, ziehen sie mich aufs Meer hinaus und halten eine Fackel an die China Sky . Und die Tankaleute halten ihr Wort.«
Er erhob sich auf eine Weise, die nahelegte, dass ihr Gespräch beendet war. »Aber ich denke, das wissen Sie von der alten Frau, die er Fisch nannte. Ben hat große Stücke auf sie gehalten, und was immer er an Hoffnung hatte, ist mit ihr gegangen, als sie Sie mitnahm. Wie gut, dass sie erlebt hat, wie Sie heranwuchsen. Das hätte Ben gefreut.«
Er warf die Bulin der Barkasse fort und beobachtete, wie Toby den Rückwärtsgang einlegte und die Barkasse sich langsam von der China Sky entfernte.
»Eines sollten Sie noch wissen«, rief er ihnen hinterher. »Bei dieser Hochzeit gab es eine Trauzeugin … eine Lehrerin. Sie brachte Li-Xia bei, eine Dame zu sein. Sie hieß … ich glaube, sie hieß Bramble … Winifred Bramble. Eine Engländerin …«
Indie da Silva hob eine Hand und rief laut, als die Barkasse schneller wurde und der Abstand zwischen ihnen größer: »Lassen Sie es mich wissen, wenn Ihre Suche erfolgreich war. Die China Sky hat so viele Löcher, dass ich mich hier nicht vom Fleck bewege … Und Sie, Toby Wieauchimmer, Sie passen mir gut auf Bens Mädchen auf, oder Sie kriegen es mit mir zu tun!«
Das Taxi war vor dem Happy Butterfly noch kaum zum Stehen gekommen, da stand Rubin schon an der Autotür. Sie war schreckensbleich und sprach so durcheinander, dass Sing sie an sich drücken und beruhigen musste, bevor man etwas verstehen konnte. »Der Leibwächter des Taipans, der, der ins Neun Drachen gekommen
ist, er war hier, um nach dir zu suchen!« Die Eingangstür der Bar war verriegelt, die Fenster mit Brettern vernagelt. Sie betraten sie von hinten und entdeckten ein einziges Trümmerfeld - zerschlagene Spiegel, umgestürzte Stühle und Tische, und auf dem Boden lagen zerbrochene Flaschen und Gläser herum.
»Er hat sai-lo mitgebracht, die Jüngeren Brüder. Die haben das hier angerichtet. Der Energische hat Lily geschlagen. Und gewürgt … aber sie hat ihm nichts erzählt. Ich habe mich zwischen den anderen Frauen versteckt. Jetzt sind sie weg. Die Bar ist geschlossen. Der Shanghai-Arzt versucht gerade, Lily zu helfen, glaube ich.«
Firecracker Lily lag oben in ihrem Privatgemach, das noch schlimmer zugerichtet aussah als die Bar unten. Shanghai-Smith mixte einen Trank, seine Arzttasche stand geöffnet auf dem Bett. Lilys Gesicht war geschwollen, ein Auge halb geschlossen, am Hals waren frische Blutergüsse zu sehen.
Lily versuchte zu sprechen, doch selbst als Toby sich zu ihr herunterbeugte, war sie kaum zu verstehen. Erfüllt von Zorn und Angst, deutete sie auf Sing, als wäre sie ein Geist. »Der Energische ist gekommen und hat nach diesem Mädchen gesucht. Er hat gesagt, ihr sung-tip gehöre dem großen Boss Ching und jeder, der sie zu verstecken versuchte, müsste dafür bezahlen. Wenn er wiederkommt und sie hier findet …«
Zitternd versuchte Firecracker Lily sich aufzusetzen, schrie jedoch vor Schmerzen und Erregung auf, als Shanghai-Smith ihr eine Spritze in den fleischigen Arm gab. »Bitte bring die und ihr chi-chi -Mädchen fort von hier. Sie bringt dem Happy Butterfly großes Unglück!«
30. KAPITEL
Das Tal
Das alte, von einer Mauer umgebene Dorf Lok-Choy-Lam lag in einem Tal bei Fanling, an der Grenze zwischen der Kowloon-Halbinsel von Hongkongs New Territories und dem chinesischen Festland. Entengüter und Fischteiche lagen verstreut zwischen Reisterrassen und Gemüsegärten, so weit das Auge reichte. Im Tal herrschte friedliche Ruhe, als lägen Kowloon und Hongkong Welten entfernt anstatt nur eine
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