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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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der Vergangenheit!«
    Als sie näherkamen, sah Sing, dass man auf den Bug der lorcha wie bei allen Dschunken, die nach Seeungeheuern Ausschau hielten, Augen gemalt hatte. Darüber stand in verblichener Schrift der Name: CHINA SKY. MACAO.
    Der Mann, der herunterblickte, wirkte genauso anders - und einzigartig wie das Schiff, das ihm offensichtlich als Heim diente. An einer zwischen den Masten aufgehängten Leine flatterten ein paar Wäschestücke, vom Heck wehte der unerwartete Duft von frisch gebrühtem Kaffee herüber, und auf der Ladeluke streckte sich eine große schildpattfarbene Katze. Trotz seiner Jahre groß und aufrecht, stand Indie da Silva, dessen braune Haut vernarbt wie altes Nutzholz war, mit freiem Oberkörper an der Reling. Verblichene Tätowierungen wanderten über seine langen, drahtigen Arme, die er vor der Brust verschränkt hielt. Das Freibord der lorcha hob ihn gute anderthalb Meter über das weiß gebleichte Deck der Barkasse. Eine Mähne aus verfilztem Haar in der Farbe von Geschützlegierung fiel ihm über die Schultern und war nur schwer von einem ungekämmten Bart zu unterscheiden, der ihm bis zur Brust reichte. Beide Ohrläppchen schmückten dicke Goldohrringe.

    Auf Sing wirkte er fast wie ein Riese aus einer anderen Welt. Sie erinnerte sich an Fischs Worte. »Die Fischer munkeln, er sei Pirat im Karibischen Meer gewesen. Vielleicht war er das auch, aber Di-Fo-Lo war er wie ein Vater und respektvoll gegenüber deiner Mutter.«
    Sing wusste, dass der Mann, der auf sie herunterblickte, möglicherweise die einzige Person war, die ihr die Wahrheiten erzählen konnte, die sie hören musste. Sie rief zu ihm hinauf: »Ich bin die Tochter von Ben Devereaux und Li-Xia. Wenn Sie derjenige sind, der einst sein Partner und bester Freund war, dann bitte ich Sie, mit Ihnen sprechen zu dürfen. Diese Dinge hier sollen die Wahrheit meiner Worte beweisen.«
    Sie hielt die Fotografie und die goldene Guinee um ihren Hals hoch. »Die wurden mir von einer Tankafrau gegeben, die mein Vater ›Fisch‹ nannte, die mich aus den Armen meiner Mutter in Sicherheit brachte und mich wie ihr eigenes Kind hütete. Ich bin aus der Provinz Hunan zum Goldenen Hügel gereist, um ihn zu finden, falls er noch am Leben ist, oder herauszubekommen, wo er begraben liegt, falls er es nicht mehr tut.«
    Indie da Silva machte keine Anstalten, nach der Fotografie zu greifen, sondern blickte nur einen langen Augenblick hinunter, ehe er erwiderte: »Ein Stück Papier mit einem Porträt darauf ist leicht zu beschaffen. Eine Goldguinee ebenso.« Er ergriff die Wurfleine der Barkasse und befestigte sie an einer Klampe. Die Katze stand auf, tappte auf dem Deck entlang und beobachtete sie mit runden, gelben Augen.
    »Aber niemand wäre solch ein Narr, mich aufzuspüren, um mir eine derartige Lüge aufzutischen. Nur eine Devereaux würde so einen weiten Weg auf sich nehmen.« Er warf den Kopf in den Nacken und lachte so laut, dass die Kormorane sich aus dem seichten Wasser erhoben und den sichelförmigen Strand umkreisten. Er warf Toby und Sing eine Strickleiter hinunter.
    »Kommt an Bord, Ben Devereauxs Tochter und wen immer Sie da bei sich haben.«

    Er schloss seine starken und eisenharten Finger um ihre Hand, als er ihr über das Dollbord an Bord half. »Das ist Toby Hyde-Wilkins, ein guter Freund«, erklärte Sing ihm rasch. »Ohne ihn hätte ich Sie nicht finden können.«
    Indie nickte und schüttelte Toby die Hand. »Na, dann will ich Ihnen mal glauben!« Er bedeutete den beiden, ihm zu folgen. »Sie hatten schon so einen weiten Weg, da können Sie auch noch nach unten kommen und nachsehen, ob es der Mühe wert war.«
    Der Salon der China Sky war mit glänzendem burmesischen Teakholz ausgekleidet. Über einem Tisch aus demselben Holz hing eine polierte Messinglampe. Indie schob rasch gebrauchtes Geschirr in die Spüle des Kombüsenbereichs nebenan. »Viel Besuch bekomme ich nicht«, sagte er und tauchte mit einer angeschlagenen Kaffeekanne, drei zerbeulten Emaillebechern und einem Brett wieder auf, auf dem ein Stück Brot und ein Stück weißer Käse lagen.
    Er schüttete siedend heißen Kaffee in die Becher und bedeutete ihnen, sich auf die Bank zu setzen, die entlang des Tisches verlief. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Sing. »Für Ben Devereauxs Tochter steht eine Menge auf dem Spiel. Wie kann ich mir sicher sein, wer Sie sind? Wie gesagt, Sie könnten auf tausenderlei Art an das Bild gekommen sein - und an die

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