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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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Gastfreundschaft Po-Loks denn ertrügen.
    Halb versteckt in einem Zitrusfruchthain befinde sich eine Mühle. Als Lagerhaus für den Winterreis benutzt, könne sie schnell ausgeräumt und behaglich eingerichtet werden. Wenn die siu-jeh solch eine bescheidene Unterkunft ertrage, würden sie und Rubin dort garantiert ungestört sein. Sing protestierte, Rubin und ihr stehe an diesem eindeutig vom Himmel selbst gesegneten Ort eine solche Großzügigkeit nicht zu. Nachdem jedermanns Ehre Genüge getan worden war, dankte Toby Po-Lok und Kam-Yang und verabschiedete sich.
    »Ich wünschte, ich könnte länger bleiben«, sagte er leise zu Sing, »aber in diesen unsicheren Zeiten ist zu viel zu tun. Dir wird es hier gefallen, glaube ich. Inzwischen werde ich bei meinen Kontaktleuten in Shanghai weiter Erkundigungen einziehen und schauen, ob
die von da Silva erwähnte Lehrerin beim Erziehungsministerium registriert worden ist. Ich komme her, so oft ich kann.«
    Als Toby sich auf den Rückweg zur Straße machte, musste Sing an sich halten, um ihm nicht hinterherzulaufen.

    Die kleine zweigeschossige Mühle war sehr alt und schon ein wenig baufällig, aber sie hatte ein intaktes Dach und dicke Mauern. Unten hatte man eilig einen alten Tisch und vier Hocker an ein Fenster gestellt, das auf den Mühlenteich hinausblickte. Im Raum darüber befanden sich zwei schmale Holzbetten und sauberes Bettzeug, Kochtöpfe und Kerzen, die Kam-Yang und ihre kichernden Enkeltöchter herbeigebracht hatten.
    Im Gegensatz zu der Insel aus blauen Wasserhyazinthen, die im Teich blühten, waren Mauern und Dach von einem Gewirr aus wildem Geißblatt überwachsen. Kleine, schwer duftende Blüten umrahmten die Fenster und die Tür mit einem cremefarbenen Glanz, der Scharen von blassgelben Schmetterlingen anzog. Der scharfe Duft von Zitrusblüten schien in der Stille dieses ruhigen Talwinkels wie gefangen. Dieses heimliche Paradies war etwas derart Besonderes, dass es Rubin Tränen in die Augen trieb.
    Sing und Rubin bekamen Feldarbeiter-Sonnenhüte und die für die Hakkas typischen kurzen, weiten Hosen und Jacken aus wasserfester Baumwolle. Vor die Wahl gestellt, sich zu den Mahlzeiten zur Familie zu gesellen oder sie sich in der behelfsmäßigen Küche in der Mühle selbst zuzubereiten, zogen sie Letzteres endlosen Wortwechseln mit ihren Gastgebern vor. Sing konnte kaum über etwas anderes sprechen oder nachdenken als über Toby und die Entdeckung des Schicksals ihres Vaters.
    Auf ihre ruhige, zufriedene Art verwandelte Rubin das kleine Steinhaus in ein Heim, fegte die Steinplattenböden und putzte die Fenster. Und sie sorgte dafür, dass immer eine Kanne Tee bereitstand.
    Bei dieser Arbeit sang Rubin in ihrer Muttesprache Lieder aus ihrem Geburtsland, sanft und melodisch. Abends arbeitete sie im
Licht der Öllampe mit Stoffstücken in vielen Farben und Mustern, die sie von der freundlichen Kam-Yang bekommen hatte, und nähte daraus mit großer Geschicklichkeit und Geduld ein mien-toi , ein Patchwork-Quilt, für Sings Bett.
    Die Nächte in der Residenz des Ewigen Friedens verbrachten sie in dem tiefen Schlaf, der mit der Entdeckung einer sicheren Zuflucht einhergeht. Harte Arbeit, einfaches und reichliches Essen und ein friedliches Umfeld bescherten Sing ein Wohlgefühl, wie sie es fast nicht mehr gekannt hatte. Falls sie und Rubin wussten, dass dies nicht von Dauer sein konnte, so redeten sie nicht darüber.
    Am dritten Abend, nach einem langen Spaziergang, bei dem sie die Hänge erkundet hatten, badeten sie nackt im Mühlenteich und genossen eine Hühnerkloßsuppe. Es war noch früh, als sie in ihren jeweiligen Betten lagen. Angenehm müde, doch unfähig zu schlafen, beobachtete Sing durch das geöffnete Fenster den aufgehenden Mond. Im Obstgarten schrie eine Eule, und in der Ferne verlor sich das Kläffen eines Fuchses. Sing spürte, dass auch Rubin noch wach war, und sagte schließlich: »Es tut mir leid, dass ich dich solcher Gefahr ausgesetzt habe. Ah-Keung hasst mich, seit ich zwei Jahre alt war, ach, schon als Säugling hat er mich gehasst. Ich glaube, irgendwo steht geschrieben, dass es unser Schicksal ist, einander gegenüberzutreten … wann, weiß ich nicht.«
    Rubin antwortete, ohne zu zögern. »Ich habe mein ganzes Leben in Gefahr verbracht. Aber ich fürchte mich nicht länger davor, mich im Spiegel zu sehen, und schäme mich nicht mehr zu lächeln - und diese Freiheit hast du mir gegeben. Dafür werde ich dich immer lieben.«
    Sing war ihr

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