Die Tochter der Konkubine
fort: »Dieses Schiff wurde aus dem Herzen Ihres Herrn Vaters geschnitzt. Es ist alles, was mir von ihm geblieben ist, bis auf das hier.« Wie durch Zauberhand erschien eine Silbermünze zwischen seinen Fingern. Er schnipste sie trudelnd in die Luft, fing sie wieder auf und hielt sie zwischen Daumen und Zeigefinger, damit sie sie sich anschauen konnte. »Der berühmte Doppeldrachen-Dollar … Es gab mal eine Zeit, da war dies eine sicherere Währung als jede andere Landeswährung … geschätzter als mexikanisches Silber oder spanische Dublonen.«
Sing verspürte eine tiefe Dankbarkeit gegenüber diesem Mann,
der eine Stunde zuvor nicht mehr als ein Name gewesen war, der einen oder zwei Drinks gekostet hatte. Das wollte sie ihm sagen, ihm etwas geben, um sich zu revanchieren. »Ist denn für Sie nichts mehr übrig geblieben? Sie waren der Partner meines Vaters …« Eindeutig durch die Erinnerungen bewegt, schnitt er ihr das Wort ab, ehe sie mehr sagen konnte.
»Wir haben wie Vater und Sohn angefangen … allmählich wurden wir Partner, doch wir haben die Welt mit verschiedenen Augen gesehen. Sein ganzes Wissen über den Flusshandel hat er von mir, aber unser Lebensstil war grundverschieden. Ich habe das, was mir gehörte, ausgegeben, wie ich wollte, während er seines sparte und für die Zukunft baute.« Wieder warf er die Silbermünze hoch und fing sie wieder auf. »Und was hat es ihm gebracht?
Jedenfalls war nicht alles richtig, was er gemacht hat. Er hat ein paar große Fehler begangen, aber große Fehler gehen nun mal mit großem Ehrgeiz einher.« Indies Augenfalten vertieften sich, als er sich an etwas erinnerte. »Er spielte zu viel, trank zu viel … dabei standen sein Vermögen und seine Gesundheit auf dem Spiel.« Indie trank einen Schluck aus dem Becher und blickte Sing in die Augen. »Nur bei den Frauen hat er sich zurückgehalten. Anscheinend hatte er so eine Ahnung, dass es für ihn nur eine Frau geben würde - die richtige oder keine. Ich glaube, er hat sie in Li-Xia gefunden.«
Es war, als sei es Indie da Silva plötzlich unbehaglich, als habe er zu viel gesagt. Er fuhr leiser fort. »Als ihm Ihre Mutter genommen wurde, hat das alles verändert. Er hat wie ein Wahnsinniger gesucht - was er, recht bedacht, wohl auch war. Er hatte sich seine Welt um Li-Xia und das Kind gebaut, das sie erwartete … für ihn waren Sie die Zukunft.« Geschickt rollte er die Münze von Fingerknöchel zu Fingerknöchel. »Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wie Li-Xia zu Tode gekommen ist. Darüber wurden zu vielen Leuten zu viele Geschichten erzählt, und ich war mit einem Loch in den Eingeweiden und einem Feuer, das ich löschen musste, in Macao. Ihr Vater hat alles getan, um Sie zu finden, das weiß ich. Als ihm
in Hongkong nichts mehr geblieben war, hat er einfach alles dichtgemacht und ist nach Shanghai gegangen.
Mir hat er die Macaoer Schiffswerft überlassen, aber Doppeldrachen war am Ende. Wir haben es zwar nie laut ausgesprochen oder schriftlich niedergelegt, aber wir wussten, dass es vorbei war.«
Er machte ein so trauriges Gesicht, dass Sing ihn am liebsten getröstet hätte. »Ich habe gehört, dass er sein Geschäft in Shanghai auf eine Art betrieben hat, bei der er ein Dutzend Mal hätte zu Tode kommen müssen … bis ihn das Glück verließ. Es bedurfte einer japanischen Deckskanone, um Ben und die Golden Sky zu kriegen.«
Die Münze wanderte von einer Hand zur anderen, wobei sich ihr Tempo kaum änderte. »Ein, zwei Jahre lang habe ich mit hohen Einsätzen gespielt, allerdings brauchte ich nie wirklich mehr als ein Deck unter den Füßen und ein ausgebreitetes Segeltuch über mir. Es hat mal eine Zeit gegeben, da reichte das. Diese Tage waren längst vorbei, und Ben und ich gingen mit ihnen bis auf den Trip von Soochow nach Formosa … die große Reise. Er schickte nach mir, und ich gesellte mich zu ihm. Ich denke, wir wussten beide, dass es unsere letzte gemeinsame Fahrt werden könnte, und ich nehme an, das hoffte er auch.«
Einen Augenblick schwieg Indie da Silva und fuhr dann mit milderem, unendlich behutsamem Ton fort. »Es heißt, die Chinesinnen würden die Liebe nicht kennen, wie sie ein gwai-lo sieht, aber Ihre Mutter hat Ben Devereaux so wahrhaftig geliebt, wie es sich ein Mann nur erhoffen kann. Und er hat sie so gut geliebt, wie ein Mann nur lieben kann … er hat an ihrem guten Aussehen vorbeigesehen und ihr Respekt erwiesen. Stolz brauchte man ihr nicht beizubringen. Den hatte sie in
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