Die Tochter der Konkubine
Goldmünze auch.«
Über seinen dampfenden Becherrand beobachtete er Sing genau. Dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Aber auf allen sieben Meeren Gottes kann man sich eines nicht erbetteln, ausleihen oder stehlen: seine Augen.« Er hieb zu seinen Worten mit der flachen Hand auf den Tisch, beugte sich vor, um mit seinen riesigen Händen ihr Gesicht zu umfassen und ihr einen Kuss auf die Nase zu geben.
Dann lehnte Indie sich zurück und senkte die Stimme, als er sich in eine andere Zeit zurückbegab, eine andere Welt. »Aus den Augen Ihres Vaters konnte man das Wetter herauslesen … einen Sturm aufziehen sehen und schon vorab wissen, wann man das Segel streichen oder setzen musste.« Er lächelte. »Aber wenn der Himmel klar war, dann sah man nie in ein helleres Licht oder eine
ruhigere See. Ich sehe dieselben tiefen Gewässer und dasselbe gottgegebene Licht, wenn ich in die Ihren blicke.«
Unvermittelt erschien die Katze an seiner Seite und sprang mit weit geöffneten Augen auf den Tisch. Indie strich ihr liebevoll über den Rücken, kraulte sie am Hals, so dass sie den Rücken krümmte und in ekstatischer Erwartung den Schwanz hob. »Verdammt, sie ist fast so alt wie ich, und sie redet nicht so schnell mit Fremden«, meinte er zärtlich. »Sieht aus, als sei sie bereit, Ihnen eine Chance zu geben, und das ist schon was Besonderes!«
Während die Augen der Katze stet auf sie gerichtet waren, suchte Sing nach den passenden Worten. »Ich träume schon so lange davon, meinen Vater zu finden. Aber alles, was ich weiß, ist das, was Fisch mir von seinem Leben vor meiner Geburt erzählt hat …«
Sie hätte mehr gesagt, doch Indie da Silva hielt die Hand hoch. »Ich erzähle Ihnen, was man meiner Meinung nach erzählen sollte … Sollte das nicht reichen, beantworte ich alle Fragen, so gut ich kann. Auf die Art vergeuden wir unsere Zeit nicht.
Erst einmal sollten Sie wissen, dass Ben und Li-Xia unter Gottes großem Himmel, der so gut ist wie jede Kirche, ordnungsgemäß geheiratet haben. Ich weiß das, weil ich sie selbst nach dem Seerecht als Kapitän getraut habe … Sie sind also kein Bastard, und das sollten Sie auch niemanden behaupten lassen.«
Von einem Bord an seiner Seite nahm er eine flache, halb leere Flasche. »Es ist schon Ewigkeiten her, dass ich Ben zum letzten Mal gesehen habe. Er stand an der Ruderpinne der Golden Sky , die eine Fracht aus Gewehren und Munition geladen hatte und deren zusammengewürfelte Mannschaft aus Taugenichtsen von Aggie Gates Mission bestand.«
Sings Herz schlug schneller, sie ließ Indie nicht aus den Augen, hungerte nach jedem Wort. »An Chinas Küste gab es keinen Klipper, der die Golden Sky einholen konnte, wenn sie Rückenwind hatte, und kein Kapitän, der seinen Namen zu Recht trug, konnte mit einem Schiff umgehen wie Ben Devereaux.« Mit den Gedanken anderswo, hielt er einen Augenblick inne. »Aber kein Segelschiff kann
einem japanischen Kanonenboot, das mit Volldampf fährt, davonfahren. Es hat uns einfach aus dem Wasser geblasen.«
Indie verstummte, drehte den Korken aus der Rumflasche und fügte davon einen ordentlichen Schuss zum restlichen Kaffee hinzu. »Die Sache ist die, dass ich ihn danach nie wieder gesehen habe, weder tot noch lebendig. Ich bin in einem japanischen Gefängnis zu mir gekommen und dort geblieben, bis sie es satt hatten, darauf zu warten, dass das, was von mir übriggeblieben war, das Zeitliche segnete. Sobald ich die Kraft hatte, nahm ich das Einzige, das von der Double-Dragon-Handelsgesellschaft noch übrig war, und das war die China Sky .« Er grinste. »Die wollte ja eh keiner, verstehen Sie? Die hatten sie schon zum Abwracken in die Werft gebracht. Ich bin einfach draufgesprungen und losgeschippert.«
Indie hielt inne und deutete in den Salon aus liebevoll gepflegtem Holz und poliertem Messing. »Ihr Vater hat diese lorcha aus einem aufgegebenen Schiff gezimmert, das er aus dem Macaoer Taifunhafen schleppte. Um sie wieder herzurichten, hat er zwei Jahre und die Arbeit von zehn starken Männern gebraucht. Es war das erste Schiff unter seinem Befehl, und zusammen haben wir noch zwanzig weitere gebaut, eines schöner und schneller als das andere. Diese Schiffe konnten sogar einen Opiumklipper schlingernd in ihrem Kielwasser hinter sich lassen. Während der Perlfluss-Blockade haben wir sie alle verloren … bis auf die China Sky .«
In Sings Augen standen Tränen, als sie ihm über den Tisch ihre Hand bot. Er fuhr
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