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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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Geisterraum, die sie dafür bestraft hatten, dass sie ihre Mutter gesucht hatte. Die Mondfrau war in ihren goldenen und silbernen Gewändern anmutig und herrlich, verjagte alle Schatten und erleuchtete jeden Weg.
    Dunkelheit hatte sich auf dem Fluss niedergelassen. Die mui-mui nahmen ihre Papierlaternen mit in die Haine und hängten sie an die Maulbeerbäume, damit das Wetter mild würde, die Kokons zahlreich und die Seidenraupen fett und glücklich. Li-Xia und Kiesel hängten ihre in den Geisterbaum und setzten sich mit einem Mondkuchen für das kleine Mädchen Mentzelie darunter. Sie zündeten ihre Räucherstäbchen an und sprachen Gebete für sie, ließen sie mit dem sich kräuselnden Rauch ins Geäst hinaufsteigen und blickten hinunter ins Flusstal, wo die Laternen dahintrieben wie Glühwürmchen.
    »Das ist die Zeit, da diejenigen, die hoffen, eine Ehefrau zu werden, einen Seidenfaden durch eine Nadel fädeln und zu Heng-O beten, dass sie ihnen einen Mann schicken möge. Es heißt, jedes Jahr in dieser Nacht überquere ein Kuhhirte den Himmel, der nach seiner verlorenen Liebe suche. Jene, die den Faden ohne Schwierigkeiten
einzufädeln vermögen, können möglicherweise mit seinem Wohlwollen rechnen.« Bei dem Gedanken gluckste Kiesel, teilte einen reifen Granatapfel und gab Li-Xia eine Hälfte davon. Sie saßen unter dem Geisterbaum, bis die letzte Laterne zwischen den Sternen verschwunden war. Kiesel lachte nicht über Li-Xias Träume, den Weg der Mutter gehen zu wollen.
    »Wer kann schon wissen, was passiert, wenn ein Geist so nahe am Himmel wohnt? Es ist toll, dass du mit deiner Mutter sprechen kannst und sie dir antwortet. Als ich jünger war, habe ich zu meiner gesprochen, doch sie hat nicht geantwortet … deshalb bin ich im Herzen Tänzerin geworden, eine Kaiserin und ein Opernstar, was immer ich sein wollte. Du, mein kleiner Holzapfel, bist anders. Du bist dazu ausersehen, Gelehrte zu werden, ganz bestimmt.«

    Das Herbstmondfest war auch auf Zehn Weiden eine Zeit der Veränderungen, eine Zeit guter und schlechter Nachrichten. Denjenigen, die nicht länger nützlich waren, wurde gesagt, sie müssten gehen, und denjenigen, die aufgefallen waren, wurde ihre Beförderung bekanntgegeben. Ah-Jeh rief Li-Xia zu sich in ihr Büro in der Spinnerei. Li-Xia war zum ersten Mal dort und starrte ehrfürchtig auf die Reihen der hölzernen, mit farbigen Spindeln bestückten Webstühle. Die sau-hai waren emsig damit beschäftigt, rollenweise Seide herzustellen, so fein wie Libellenflügel. Über das endlose Geklapper der Weberschiffchen hinweg war kein Geplauder zu hören.
    »Li-Xia, du bist nun fast zwölf Jahre alt. Du hast gut gearbeitet und verschwendest deine Zeit nicht mit törichten Dingen oder versteckst dich vor der Aufseherin, um zwischen den Bäumen alberne Spiele zu spielen. Es ist an der Zeit, dass du deinen Platz im Spinnereischuppen einnimmst. Du bist kräftig und groß für dein Alter geworden und hast dir deinen Platz in Zehn Weiden verdient. Morgen wirst du dein Bett umstellen. Wenn du dich gut anstellst, wirst du vielleicht auserwählt, die Laterne zu tragen. Wenn nicht, könnte die Weberei deine nächste Station sein - vielleicht wird dir
sogar der Kamm und der Spiegel der sau-hai angeboten.« Die Stimme der Vorsteherin war energisch, aber nicht unfreundlich, und ihr Blick barg keine Drohung.
    »Vielen Dank, Ah-Jeh. Es ehrt mich, dass man mich einer solch großartigen Gelegenheit für wert erachtet, … aber …«, Li-Xia suchte nach den richtigen Worten.
    »Hier gibt es kein ›Aber‹. Mit dem Neumond ändert sich dein Leben.« Ah-Jehs Zorn war nie weit fort. »Wagst du es etwa, in Frage zu stellen, was Mond und Sterne dir vermachen?«
    »Wenn von mir erwartet wird, das Bett des Herrn zu teilen, wird er keine Freude an mir haben!« Wie immer in bedeutungsvollen Augenblicken, waren die Worte heraus, ehe sie sich’s versah. Sie war sich nicht einmal sicher, woher sie gekommen waren.
    Als würde sich eine Wolke vor die Sonne schieben, verfinsterte sich das Gesicht der Vorsteherin. »Dabei hast du gar nichts mitzureden. Der Herr tut mit dir, was immer ihm beliebt. Und wenn er glaubt, seine Aufmerksamkeit sei an dir verschwendet, dann mache ich mit dir, was mir beliebt.« Ah-Jeh beruhigte sich rasch wieder. Ihr scharlachroter Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Vielleicht werde ich dir den Kamm und den Spiegel anbieten … mal sehen.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Ehre solch großer

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