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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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Fingern hin und her zu fliegen schienen, und der goldene Faden, der so geschickt gefunden und auf
vollkommene Weise abgehaspelt wurde, verlieh ihr die begehrte Auszeichnung, Kolibrihände zu haben, denn sie waren so schnell wie der Schlag der Regenbogenflügel dieses Vogels.
    Der Tag des Wunders erwachte in atemberaubender Pracht, ein Sonnenaufgang von Apfelgrün mit Färbungen in Malvenfarbe und brennendem Orange, das über den Fluss ausgriff, um unter die Weiden zu kriechen und die Schatten fortzunehmen. Für Li waren dies wertvolle Augenblicke, wenn das Licht aus zartestem Gold war und der Tag noch nicht richtig begonnen hatte. Entenküken schwammen mutig aus der Sicherheit der hohen Binsen heraus und stellten sich dem offenen Wasser. Li zündete derweil ein Räucherstäbchen an und legte an einen der kleinen Schreine neben den Hütten Blumen - und tauchte dann kurz in das kalte Brackwasser ein, um sich zu waschen, kämmte dann ihr langes Haar, während sich die frühe und noch immer kühle Morgenluft auf ihre Haut legte.
    Diese privaten Momente blieben unbeobachtet. Sie hatte sich eine Stelle fern von den anderen gesucht, ein Stück weiter flussabwärts, unterhalb des Spinnschuppens, von dem sie durch einen vorspringenden Felsen getrennt war. Noch weiter flussabwärts suhlten und spuckten, kicherten und stießen die mui-mui einander und wirbelten dabei gelbe Schlammwolken auf. Hier war die Oberfläche glatt, geruhsam und unbewegt. In diesen ruhigen Momenten konnte Li sich selbst wie in einem blassgrünen Spiegel sehen.
    Sie besah sich ihren Körper und erschrak darüber, wie sehr sie gewachsen war. Das Mädchen, das sie sah, war langbeinig und bereits wohlgeformt; als sie sich hinunterbeugte, um ihr Gesicht zu betrachten, empfand sie es als angenehm. Entbehrungen und Traurigkeit waren ihm nicht anzusehen. Ihre Augen, sah sie, waren größer und runder als die meisten. Anders als Kiesels breite, runzlige Knolle, war ihre Nase klein und gerade. Auch ihr Mund war klein und wohlgeformt, und beim Lächeln zeigte er ebenmäßige, weiße Zähne.
    Sie glitt bis zur Hüfte in den Fluss und benutzte zum Waschen
ein Stück grober Seife. Durch die plötzliche Kälte versteiften sich die Spitzen ihrer sanft anschwellenden Brüste. Einmal, es war noch gar nicht lange her, hatte sie Blut aus sich herauskommen sehen, als sie ins Wasser gewatet war. Es war, als hätte eine Hand in sie hineingegriffen und ihre Eingeweide zusammengedrückt, weshalb sie überzeugt war, sterben zu müssen. Entgegen der Regeln hatte sie Kiesel aufgesucht, die nur gegrinst und ihr saubere Lumpen gegeben hatte, um den Blutfluss zu stillen, und ihr erzählte, wie man eine Frau wurde und ein Kind bekam.
    Bei der Erinnerung daran musste sie lächeln, und sie spritzte sich die Seife von Schultern und Brust. In diesem Augenblick wurde der Fluss mit der vollen Kraft der Sonne in Brand gesteckt. Sie beschirmte ihre Augen, begriff, dass mit diesem unvermittelten Ausbruch goldenen Lichts mehr einherkam - etwas Großartiges und Majestätisches -, etwas, wie ihr mit Erstaunen bewusst wurde, aus einer anderen Welt. Als hätte man einen glänzenden Weg vor ihm ausgelegt, glitt ein prächtiges Schiff in ihr Blickfeld.
    Die weißen Spitzen seiner drei Masten ragten hoch über den größten Weiden auf, dazwischen entrollten sich lange Wimpelbänder, auf denen in Scharlachrot und Gelb Zwillingsdrachen abgebildet waren. Es trieb dahin wie die Schwingen eines Phönix, der auf der Morgenluft reitet. Mit schwanengleicher Anmut fuhr das Schiff langsam an dem Laubvorhang vorbei, sein glänzend weißer Körper warf die Lichtstrahlen zurück, die seinen schlanken Bug streiften, der die Wasseroberfläche mit kaum einer Kräuselung teilte. Es war so nah, dass sie die groben kantonesischen Stimmen auf Deck, die sich zum Anlegen bereit machten, hören und die Gerüche aus der Kombüse riechen konnte.
    Ein halbes Dutzend Matrosen standen mit bloßem Oberkörper bereit, die Haltetrossen an Land zu werfen, während eine unbekannte und furchteinflößende Gestalt an der Reling des Achterschiffs stand. Es war ein weißer fremder Teufel - ein Kinderfresser -, dessen plötzliches Auftauchen sie seltsam beunruhigte. Wie ein Tiger schritt er auf und ab und blieb dann stehen, um die
schrumpfende Entfernung zwischen Schiff und Anlegeplatz zu beobachten. Ihr stockte der Atem, mit klopfendem Herzen tauchte sie ihre Nacktheit ins Wasser, als das Schiff seine Vorsegel einholte und näher

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