Die Tochter der Konkubine
kaute. »Ihre Geschlechtsteile gleichen denen eines Esels und würden eine Chinesin zerreißen. Kein Gott kann jemanden retten, den ein gwai-lo bestiegen hat. Diejenigen, die durch ihre Berührung verseucht wurden, kommen nur noch in den Gossen Shanghais oder den Slums von Hongkong unter.«
Angesichts Lis Verwirrung lächelte die Vorsteherin unvermittelt, und ihre Bitterkeit verschwand. »Aber nun komm, lass uns den goldenen Faden finden und derlei Dinge vergessen. Du bist für viel sanftere Hände geschaffen als die des gwai-lo .« Li spürte, wie sich die Finger der Vorsteherin um ihre Oberarme legten, dann hinunterrutschten, um ihre Hand zu ergreifen, ihre Finger sanft zu spreizen und mit einem schlauen Daumen ihre Handfläche zu reiben. Ah-Jehs Stimme nahm einen beschwörenden Ton an.
»Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe, aber mein Zorn wollte dich vor dem Einfluss eines solchen Satans schützen. Schon allein sein Anblick kann dir schaden. Diese Finger sollten nicht so rot wie ein gegarter Shrimp sein. Es sind wertvolle Schmetterlingsfinger, bald schon selbst schneller und zarter als die Regenbogenflügel eines Kolibris, die Finger, glaube ich, einer Seidenweberin.« Durch den Druck des Daumens in ihrer Handfläche fiel alle Anspannung
von Li ab. »Bald bist du das fünfte Jahr hier, und du bist bereits eine Frau. Unser Gebieter, Ming-Chou, möchte dich auf meine Empfehlung hin in Augenschein nehmen. Wenn du ihm gefällst, wirst du im Himmlischen Haus wohnen und vielleicht in sein Bett gerufen werden. Deinesgleichen könnte in seinem Haushalt zu großer Macht gelangen, und wenn dem so wäre, erinnerst du dich vielleicht an die, die dich ausgewählt hat.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn du ihm nicht gefällst, sehen wir, ob du eine Schwester der sau-hai wirst.«
Ah-Jeh hob Lis Hand und drückte ihre Handfläche an die Lippen. Ihre Zungenspitze wand sich wie ein Wurm und war verschwunden. »Es wäre eine Schande, wenn er dich für sich behalten würde und du eine Amah werden würdest, wenn er deiner überdrüssig wird.«
Die Vorsteherin klang mitfühlend, und der Druck ihrer Finger war seltsam tröstlich.
»Wenn du ihm so gut gefällst wie mir, dann wirst du für immer für den Webstuhl verloren sein. Vielleicht, meine Schöne, liegt die Wahl ja bei dir.«
Die Sonne war fast untergegangen, als Li-Xia in Ah-Jehs Begleitung durch das karminrote Mondtor trat. Die blassgelbe, runde Laterne, die ihren Weg erhellen sollte, warf überall um sie herum Schatten. Sie konnte nicht erkennen, ob in den geheimen Gärten Diamanten in den Brunnen herumwirbelten, ob der Karpfen, der von einem aufgehenden Mond silbern beschienen wurde, Schuppen reinsten Goldes trug oder ob der Weg unter ihren Füßen mit Edelsteinen belegt war. Als sie das Himmlische Haus erst einmal betreten hatte und sich unter seinem scharlachroten Dach befand, offenbarten sich derartige Wunder, dass ihr ganz schummrig wurde und sie weder nach links noch nach rechts zu blicken wagte.
Der Kaufmann Ming-Chou war kleiner, als sie es sich vorgestellt hatte, doch ließen ihn seine prächtigen Gewänder und der herrliche Diwan, auf dem er ruhte, größer erscheinen.
Sein Gesicht war schmal und lang und seine Ohren groß unter einer Kappe aus schwarzer Seide, auf deren Spitze in einer blauen Glasperle eine prächtige Pfauenfeder steckte. Ah-Jeh hatte ihr erklärt, es sei der Hut eines Mandarins vierter Klasse. Er wirkte älter, als Li es erwartet hatte, und sah überhaupt nicht gefährlich aus, viel zu alt und gebrechlich, um große Schmerzen zu verursachen. Unter seinen Augen, die so schmal waren, dass man schwerlich wissen konnte, was er dachte, befanden sich dunkle Tränensäcke. Sie machte dreimal einen Kotau, wie man es ihr befohlen hatte, und ihr Blick war allein auf seine kleinen, in Pantoffeln steckenden Füße gerichtet.
Li erinnerte sich an Kiesels Ratschlag, den diese ihr mit dem üblichen Grinsen gegeben hatte: … Benütz deine Hände … sogar deinen Mund, wenn es sein muss. Er wird schnell kommen und bald einschlafen.«
Der Kaufmann hob die Hand und winkte sie herbei, und Ah-Jeh schob sie vorwärts. Ihn umgab ein Duft, der sie sofort innehalten ließ, der süße, aromatische Geruch von Wein und Opium. Der Geruch ihres Vaters Yik-Munn. Ungeduldig packte Ming-Chou sie am Arm und zog sie zu sich - befühlte, drückte und zwickte sie durch die dünne Seide ihres neuen Gewandes.
»Ist das die Ungehorsame aus dem Gewürzgut, die
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