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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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hieß - es hörte sich für ihn wie Li-Schia an - und dass sie wohl um die dreizehn Jahre alt sein müsse. Nun, da sie rechtmäßig ihm gehörte, mehr tot als lebendig, nach Flussschlamm stinkend und mit Seegras bedeckt, merkte man, dass Ming-Chou und seine fette Vorsteherin sie möglichst schnell loshaben wollten.
    Hinter ihm bemühte Indie sich, nicht ungeduldig zu klingen. »Gut gemacht, Ben. Du bist ein Held, der Besitzer eines halbtoten chinesischen Flittchens, das vermutlich vor Krankheiten nur so strotzt. So, wie’s aussieht, wird sie womöglich nie mehr normal gehen können. Für nichts gut, außer Seidenraupen zu füttern und dir das Gold von den Backenzähnen zu klauen, während du schläfst …« Er verbeugte sich und schwang dabei seinen Panamahut. »Du kannst mit ihr machen, was du willst.«

    Als Li allmählich wieder zu Bewusstsein kam, umgab sie der Fluss noch immer. Sie spürte Bewegung, ein bedächtiges Heben und Senken zu einem rhythmischen Knarzen, und hatte Angst, die Augen zu öffnen. Die Helligkeit war so unvermittelt weg gewesen und durch zunehmende Dunkelheit und Kälte in einer stillen Welt aus Gelb - und Grüntönen und aufsteigenden Luftblasensäulen ersetzt worden, dass sie gedacht hatte, sie würde in dem schlammigen Flusswasser ihren letzten Atemzug tun. Doch dann war plötzlich der fremde Teufel mit einem Messer mit Silbergriff zwischen den Zähnen vor ihr aufgetaucht.
    Aus Angst davor, was sie zu sehen bekäme, öffnete sie die Augen nur zögernd. Die brennenden Schmerzen in ihren Füßen sagten ihr, dass sie am Leben war, doch der Gestank, der so sehr ein Teil
von ihr gewesen war, war völlig verschwunden. Alles um sie herum war angenehm für das Auge und beruhigend für das Herz: ein großer mit Landkarten und Papieren bedeckter Tisch, ein Drehstuhl, eine polierte Messinglampe, Borde voller Bücher und Bilder von Schiffen. Offene Bullaugen ließen eine warme, salzige Brise herein, warfen Sonnenlichtkreise auf Holzpaneele in satten Tönen und gaben flüchtige Blicke auf blassblauen Himmel frei.
    Sie wusste nicht, wer sie gebadet und ihr die Füße verbunden hatte, nur, dass sie sauber war und Kleider trug, die ihr zu groß waren und frisch wie eine Brise rochen. In diesem seltsamen Raum hing noch ein anderer Duft von geheimnisvoller Süße in der Luft, der weder von Räucherstäbchen noch von Opium stammte. Sie lag in einem wunderbar weichen Bett, in dem noch sechs weitere Personen Platz gehabt hätten, und ihr Kopf ruhte auf Distelwolle. Als sich ihre Augen wieder schlossen, kehrten die Phantome ihres Martyriums zurück und piesackten sie, aber sie waren fern und undeutlich, und ihr Schrecken wurde durch ein in diesem Maße nie gekanntes Wohlgefühl abgemildert.
    Sie wusste, dass der Barbar, den Ah-Jeh Di-Fo-Lo genannt hatte, sie aus dem Fluss gezogen haben musste, entdeckte jedoch in ihrem ganzen Gefühlswirrwarr keine Angst. Sie versuchte aufzustehen, konnte sich aber nicht rühren, erinnerte sich an nichts außer an die willkommene Sicherheit des Todes, das messerscharfe Gekreisch der sau-hai und das Bellen des gwai-lo -Kapitäns, als er, sie mit einem Arm tragend, ans Ufer watete, während er mit dem anderen eine Klinge schwang.
    Auch wenn sie immer noch Gefahr witterte, wurde die Wolke, auf der sie schwebte, leichter. Diesmal meldete sich Pai-Lings sanfte Stimme nicht. Es war, als hätte sie sich endlich auf die Reise gemacht, die im Reisschuppen begonnen hatte - ein altes Leben für ein neues. Mit noch immer geschlossenen Augen gab sie sich dem Auf und Ab eines schnellen Schiffes hin, das eine lebhafte See durchfuhr.
    Sie fuhr aus dem Schlaf hoch, als jemand einen rauen Finger
sanft an den Puls ihrer Kehle drückte. Der fremde Teufel persönlich beugte sich über sie. Alles, was sie über ihn und seinesgleichen gehört hatte, kam ihr wieder in den Sinn, doch zu ihrer Erleichterung konnte sie in seinem Gesicht keine Spur von Hass entdecken. Er stieß und stupste sie nicht, um ihr Gewicht und ihren Wert abzuschätzen. Daneben sah sie die breiten, freundlichen Züge eines Chinesen, der sich über seine Schulter beugte.
    Die Miene des Barbaren war ernst, aber überhaupt nicht bedrohlich. Seine Augen waren nicht die eines Ungeheuers. Sie waren freundlicher und weniger fragend, als sie jemals zu hoffen gewagt hätte. Das Haar, das sich auf seinem Haupt und Kinn lockte, war sauberer und ordentlicher, als sie erwartet hatte, und es schien darin nicht von Ungeziefer zu wimmeln,

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