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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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obgleich das angeblich der Fall sein sollte. Auch roch er nicht abstoßend, wie man es sie glauben gemacht hatte. Er roch nach frischer Meeresluft und etwas Süßem - vielleicht Opium von feinster Qualität. Er legte seine Hand behutsam auf ihre Stirn. Ihr kam sie riesig vor, und sie zuckte bei der Berührung zusammen.
    »Halt still. Ich tue dir nichts.« Er bewegte seine Hand erst an ihre eine, dann an die andere Wange, zog dann vorsichtig ihr unteres Augenlid hinunter und bat sie, den Mund zu öffnen und die Zunge herauszustrecken. »Fieber hast du keines mehr. Wie fühlst du dich?« Sie war sprachlos, als er mit seiner tiefen Stimme so selbstsicher ihre Sprache sprach. Zunächst konnte sie nicht antworten, dann flüsterte sie: » Ho, ho «, um anzudeuten, dass es ihr nicht schlecht ging, aber, mit einem Blick auf ihre lädierten Füße, » gurk-tong … meine Füße schmerzen«. Er nickte. »An den Füßen bist du schwer verletzt, aber das wird wieder.« Der Barbar erlaubte sich ein Lächeln in den seltsamen grauen Augen.
    »Du befindest dich in Sicherheit, an Bord meines Schiffes, der Golden Sky . Du bist jetzt seit drei Tagen und zwei Nächten hier. Du brauchst dich vor nichts zu fürchten. Du musst nur etwas essen und dann möglichst wieder ruhen. Wenn es dir gut genug geht, kannst du an Deck kommen und etwas frische Luft schnappen.«
Er richtete sich wieder zu seiner - in Lis Augen unfassbaren - ganzen Größe auf. Der Chinese trat mit einem Tablett hinter ihm hervor. »Das ist Wang, mein Steward. Bis zu unserer Ankunft in Macao wird er sich um dich kümmern. Dort bringen wir dich wieder auf den Damm und finden eine Beschäftigung für dich. Du brauchst keine Angst mehr zu haben, jetzt kann dir keiner mehr etwas antun.«
    Schnell war er fort, und Wang stellte das Tablett mit dem Essen neben ihr Bett und plauderte mit ihr, während er ihr half, sich aufzusetzen. »Kapitän Devereaux ist ein guter Herr, siu-jeh . Du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten. Im Gegensatz zu anderen gwai-los frisst er keine Kinder. Er hat dein sung-tip bezahlt und unterschrieben. Jetzt gehörst du ihm … du hast großes Glück.« Er gluckste fröhlich. »Du hast sehr, sehr großes Glück, siu-jeh .«
    Der heiße Reisbrei war köstlich, glatt wie Seide und gewürzt mit einem Hundertjahr-Ei. Ein großer Becher mit orangefarbenem Tee war an einer bestimmten Stelle auf dem Tablett abgestellt, damit nichts überschwappte. Angesichts ihrer Miene kicherte Wang. » Gnow-lie-cha «, sagte er stolz. »Kuhmilchtee. Master Ben trinkt nur Gnow-lie-cha .« Als sie an dem heißen, süßen Tee nippte und dann beifällig nickte, war er entzückt. »Ich werde für siu-jeh heilsame Musik spielen.« Er holte aus seiner Tasche eine kleine Bambusflöte hervor. Zum ersten Mal war Li wie es sich gehörte mit »siu-jeh« - Fräulein - angesprochen worden, und seltsamerweise gefiel ihr das sehr.
    Sie gestattete der sanften Bewegung des Schiffes, sie in den Armen zu wiegen, und beobachtete, wie der Lichtkreis über Wände und Decke glitt, bis ihr die Augen zu einem friedvollen Schlummer zufielen. Ohne eine Ahnung davon zu haben, wie viele Stunden sie geschlafen hatte, wurde Li zum zweiten Mal durch die Gegenwart des Barbaren geweckt. Er füllte die Tür.
    »Ich glaube, es wird Zeit, dass du mal an die frische Luft kommst … Aber zuvor werfen wir noch einen Blick auf deine Füße.«

    Er trat beiseite, damit Wang mit einer Schüssel dampfenden Wassers und einem Tablett mit Flaschen und Verbänden hereinkommen konnte. Sie sah, dass er eine Pfeife aus poliertem Holz zwischen den Zähnen stecken hatte, aus der süßer Rauch um ihn herumwirbelte. Darauf wusste sie, dass dies sein Raum war, dass die Kleidungsstücke, die sie trug, seine Haut kannten, und das Bett, in dem sie lag, seines war.
    »Wang ist auch der Schiffsdoktor, aber auch ein ausgezeichneter Koch und ein kluger Unterhalter, wie du bereits festgestellt hast. Er war es, der dich gewaschen und sich um deine Füße gekümmert hat. Er wird jetzt die Verbände wechseln und dich behandeln. Wenn alles klargeht, werde ich dich nach oben bringen.«
    Eine halbe Stunde darauf wurde Li, deren Füße in einem weiteren Breiumschlag steckten, vom Kapitän über eine mit Messing eingefasste Treppe nach oben getragen. Die Vormittagssonne schien an einem enteneiblauen Himmel. Li kannte das Meer bislang nur aus ihrer Vorstellung, von der Mitte der Holzbrücke bei Flut, wenn der Fluss am breitesten war. Auf jeder

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