Die Tochter der Konkubine
Schock, sich selbst mit Juwelen geschmückt zu sehen, die so gar nicht ihrer Stellung im Leben oder auch ihren Bedürfnissen entsprachen, dennoch leuchteten Lis Augen angesichts der Pracht auf, und sie schnappte nach Luft.
Benommen vom Augenblick, drehte sie sich abrupt um und war ihm plötzlich sehr nahe. Sie wäre zurückgetreten, doch er beugte sich hinunter und küsste sie sacht auf die Stirn. »Ihr Wert liegt nicht in ihrem Gewicht oder materiellen Wert, sondern in dem Leben, das du ihnen einhauchst.« Er ließ sie durch seine Finger gleiten, und seine Berührung war ihrer Brust so nahe, dass sie sicher war, er könnte ihren Herzschlag spüren.
Er hob ihre Hand und nahm sie warm zwischen die seinen. »Diese Kette ist ein Zeichen meiner Zuneigung und meines Respekts.« Als sie zu sprechen versuchte, legte er einen Finger an die Lippen und legte die Hände dann leicht auf ihre Schultern. »Trage sie zumindest heute Abend, danach bewahre ich sie sicher für dich auf, bis du akzeptieren kannst, dass sie dir gehört.«
Er ließ sie frei. »Und jetzt gehen wir in das feinste Restaurant, das Macao zu bieten hat.« Als würde er ihre Gedanken lesen, setzte er hinzu: »Miss Bramble wird dich als deine Anstandsdame begleiten, für mögliche Beobachter wird also alles anständig zugehen.«
12. KAPITEL
Das Bella Vista und der Palast der Fetten Krabben
Auf der Fahrt zum Bella Vista, dem, wie Fisch ihr versichert hatte, ältesten und berühmtesten Hotel Macaos, hoffte Li, ihre tiefe Besorgnis würde als reine Aufregung ausgelegt werden. Auf dem Ledersitz seines königsblauen Rolls-Royce zwischen Ben und Miss Bramble bequem untergebracht, konnte sie kaum glauben, dass sie nicht träumte.
Wie um ihre Besorgnis noch zu verstärken, erschien Ah-Geets Auge in dem kleinen Spiegel über seinem Kopf. Sein Gesicht konnte sie nicht sehen, aber allein das Auge zeigte seine Verachtung so klar, als hätte er sie laut geäußert. Sie sah fort, doch sein Blick kehrte zu ihr zurück, wann immer es ging, so drohend wie eine erhobene Stimme oder ein angedeuteter Schlag. Er hob die Hand, um den Spiegel zurechtzurücken, und konnte sie nun mit beiden Augen ansehen. Den Bruchteil einer Sekunde lang umrahmte der Spiegel seinen Mund, der lautlos das unmissverständliche Wort »cheep-see« formte.
Im Bella Vista war Ben Devereaux eindeutig gut bekannt. Als der Wagen beim Haupteingang vorfuhr, öffneten sich die Türen, und er und seine Gesellschaft wurden unter vielen Verbeugungen durch das elegante Foyer in die Wärme und Pracht des Speisesaals geführt. Nur Li sah die nackte Bosheit im Gesicht des Chauffeurs, als er gemächlich davonfuhr, um den Wagen auf dem Parkplatz abzustellen. Auf seine Verachtung hatte sie mit einem eigenen Blick geantwortet und ihn dann auf bewährte Art aus ihren Gedanken verbannt. Dunkelhäutige Jungen mit Handschuhen in weißgoldenen Pagenuniformen hielten ihr Glastüren auf.
Sie duchquerten einen großen Raum, der von prächtigen Kronleuchtern und einem Meer kerzenbeschienener Tische beleuchtet wurde. Im Hintergrund spielte leise ein Streichorchester, während modisch und kostspielig gekleidete Gäste aus kristallenen Kelchgläsern Wein tranken und von Silbertellern aßen. Überfluss und Reichtum wirbelten wie in einem glitzernden Rad reinster Fantasie um Li herum. Im Stillen dankte sie Miss Bramble, dass sie sie bis ins Detail auf solch eine Situation vorbereitet hatte.
Ben Devereaux wurde allseits begrüßt. Bei jedem Schritt drehte man sich nach ihnen um. Die erlesenen Juwelen, die Lis schlanken Hals schmückten, schienen ihre Haut zu verbrennen, als sie an den funkelnden Tischen vorbeiging … sie fühlte, wie jeder Blick und jedes Flüstern sie als jemanden brandmarkten, der zu hoch hinauswollte.
Sie wurden an einen Tisch in einem prächtigen Alkoven geführt, der von den anderen Tischen genügend Abstand hatte, dass man sich in Ruhe unterhalten konnte. Winifred Bramble, die ein Abendkleid aus kaffeebrauner Spitze, statt der üblichen Granat - eine Gagatkette und um die Schulter einen Schal aus cremefarbener Kaschmirwolle trug, schien sich in dieser Umgebung sehr wohl zu fühlen.
Die ersten Augenblicke verbrachte man damit, prächtig gekleidete Herren zu begrüßen, die stehen blieben oder herbeikamen, um mit Ben zu sprechen. Er stellte sie als Miss Li, eine Schülerin Miss Brambles, vor. Manche waren leicht angetrunken und drückten ihre Hand, als sie sie an die Lippen führten, und ihre Augen
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