Die Tochter der Konkubine
abgetrennten Stelle im Bug der Dschunke Platz genommen hatten, breitete Ben die Arme aus und atmete die milde Salzluft tief ein.
»Es gibt keinen besseren Geruch als den von fetter Macao-Krabbe frisch aus der Falle, die mit genau der richtigen Mischung aus Chili und Schalotten in schwarzer Bohnensoße brutzelt!« Er lehnte sich zurück und sah sich freudestrahlend um. »Wir sind hier unter Freunden. Keine Tischdecken, keine Speisekarten, kein Silberbesteck, kein Kristall und kein Verrat.« Kurz wich seine Fröhlichkeit und machte ruhiger Ehrlichkeit Platz. »Ja, ich habe viel von dem, was gestern gesagt wurde, mitbekommen, aber ich habe gelernt, dass man auf derart hirnlose Gemeinheiten am besten gar nicht reagiert. Solche Feiglinge werden ihre Beleidigungen immer abstreiten … es ist immer der Barbar, der etwas missverstanden, und immer die Frau, die die Schuld hat.« Unvermittelt grinste er. »Deshalb verrate ich auch nicht, wie viel Kantonesisch ich wirklich spreche und verstehe. Du wirst dich bestimmt freuen zu hören, dass ich und der Besitzer des Bella Vista alte Freunde sind. Ich
habe mit ihm gesprochen, nachdem ich Miss Bramble zum Auto gebracht hatte, und die Verantwortlichen arbeiten jetzt nicht mehr im Bella Vista und werden auch niemals in einem ähnlichen Haus Arbeit finden.«
Er griff zu ihr hinüber und legte seine Hand auf ihre, warm und tröstlich. »Es tut mir leid, dass ich so etwas zugelassen habe … aber irgendetwas sagte mir, dass du schon mit der Situation fertig würdest. Das musste ich wissen, denn das wird uns immer umgeben.« Wie um der melancholischen Stimmung ein Ende zu machen, kam der portugiesische Wirt in diesem Augenblick zu ihnen und begrüßte Ben wie einen verlorenen Bruder.
»Das ist mein lieber, fetter Freund Alonzo«, meinte Ben. »Ihm würde ich mein Leben anvertrauen, meine Frau allerdings nicht!« Alonzo verbeugte sich vor Li, küsste ihr mit einer schwungvollen Bewegung die Hand und beglückwünschte Ben zu seinem exzellenten Frauengeschmack. Dann eilte er in die Kombüse, um, wie es Li vorkam, Augenblicke später mit einer riesigen, brutzelnden Servierplatte voller Meeresfrüchte zurückzukehren, gefolgt von einem Jungen, der eine gigantische Schüssel mit frischem Blattgemüse und einen Brotkorb trug. Die Platten wurden ohne großes Aufheben vor sie hingeknallt.
»Macao-Schlammkrabbe, vor Ort gefangene Garnelen und Hummer, Mangrovenauster von der Insel Heng Quin, baskischer Salat, wie er in den Bergen zubereitet wird. Willkommen im Palast der fetten Krabben, erst vor Augenblicken frisch aus dem Meer geholt.« Die bittere Erinnerung an den pompösen Speisesaal mit seinen glitzernden Kronleuchtern und den unterschwelligen Ressentiments und dem Spott waren rasch vergessen, als Ben ihr einen Stapel dampfend heißer Handtücher anbot.
»Es gibt kaum ein größeres Vergnügen im Leben, als Krabben mit der Hand zu essen. Vor allem erlaubt es keine Verstellung. Selbst ein Kaiser wird zum Fischer, wenn er eine Krabbenschere in der Hand hält. Wir haben viel zu besprechen, aber erst einmal essen wir. Lass mich es dir zeigen - ich bin Experte darin.«
Mit großer Begeisterung stellte Ben sich der Aufgabe, Krabben, Hummer, Shrimps und andere Meeresfrüchte aller Art zu zerstören - trennte die Schale ab, schabte den orangefarbenen Rogen heraus, zerbrach die Klauen, brach die Beine auseinander, zog köstliche Fleischleckerbissen heraus und servierte sie ihr. Er war mit so großer Freude am Werk, dass Li unwillkürlich davon angesteckt wurde.
»Das Beste an dem Essen hier ist, dass man von Tischmanieren noch nie etwas gehört hat. Je mehr Dreck wir machen, umso glücklicher wird unser Gastgeber sein. Unerwünschte Schale darfst du aufs Deck spucken und nach Herzenslust rülpsen, und er tischt dir weiter auf!« Ben schickte sich an, ihr das zu demonstrieren, und drängte sie, es ihm nachzutun. Säuberten sie sich mit dampfenden Tüchern Mund und Hände, wurden diese sofort ersetzt, Essensreste wurde fortgeworfen und von wohlgenährten Katzen, die unter den Tischen herumschlichen, oder den stets wachsamen Möwen, die auf dem zurückweichenden Wasser schwammen, aufgefressen.
Während er ihr offen von seiner Jugend erzählte, verging die Zeit wie im Flug. »Ich möchte, dass du die Wahrheit über Di-Fo-Lo, den Kinderfresser, den großen Taipan des Doppeldrachens, kennst - der als unerwünschtes Kind nur mit der drohenden Gefahr und der Flamme der Hoffnung als einziger
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