Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
machte schon wieder einen erschrockenen Sprung in ihrer Brust. Sie ließ den Helm fallen, richtete sich ganz auf die Knie auf und fragte sich fast hysterisch, warum sie nicht einfach aufsprang und wegrannte.
Stattdessen kroch sie ganz zur Steilküste hin und lugte vorsichtig in die Tiefe.
Der Dämon lag nicht zerschmettert auf den Felsen. Stattdessen klammerte er sich nur ein kleines Stück unter ihr mit nur einer Hand an den Stein, während sein anderer Arm wild herumfuhrwerkte, um irgendwo Halt zu finden. Katharina sah jetzt, dass das, was sie für ein Fell gehalten hatte, in Wahrheit ein flatternder Mantel war, und auch das Gesicht, in das sie blickte, war keine Dämonenfratze, sondern beinahe schmaler als ihr eigenes und totenbleich. Zumindest im Moment wurde es von einem Paar riesiger Augen beherrscht, die schwarz vor Todesangst waren.
Genau wie gerade schon einmat tat Katharina etwas, das sie selbst vielleicht am meisten überraschte: Statt es zu Ende zu bringen und den vermeintlichen Dämon in die Tiefe zu stoßen, streckte sie die Hand aus, griff nach dessen wirbelndem Arm und schloss die Finger um ein Handgelenk, das kaum kräftiger war als ihr eigenes. Während sie die andere Hand gegen den Boden stemmte, um festen Halt zu haben, zog sie den zappelnden Dämon mit einem einzigen, kraftvollen Ruck zu sich herauf.
Vielleicht ein wenig zu kraftvoll, denn mit einem Mal war die struppige Gestalt nicht nur neben, sondern über ihr, und sie stürzten zum zweiten Mal aneinandergeklammert zu Boden. Immerhin verzichtete er diesmal darauf, ihr das Knie in den Leib zu rammen.
Stattdessen riss er sich los, sprang auf und bedankte sich für die Lebensrettung, indem er ihr so heftig in die Seite trat, dass Katharina ihre eigenen Rippen knacken hörte und ihr auch noch das allerletzte bisschen Luft aus den Lungen gepresst wurde.
Wimmernd vor Schmerz krümmte sie sich und schlug schützend die Arme vor den Leib, und der Dämon verzichtete darauf, ihre Rippen weiter mit Fußtritten zu malträtieren.
Lieber trat er ihr so hart vor die Schläfe, dass sie nun wirklich das Bewusstsein verlor; wenn auch nur für einen einzigen Augenblick, denn als ihre Sinne zurückkehrten, stand die Gestalt noch immer über sie gebeugt da und streckte gerade die Hand aus, vermutlich um ihr die Kehle zu zerquetschen oder ihr etwas noch Schlimmeres anzutun. Katharina wimmerte angstvoll, aber sie hatte nicht einmal mehr die Kraft, die Hände vors Gesicht zu schlagen.
Doch der Dämon tat ihr nichts. Er beugte sich lediglich vor, um seinen Helm aufzuheben und aufzusetzen, starrte sie durch die schmalen, schräggestellten Sehschlitze hindurch noch einen Moment lang aus hasserfüllten Augen an und holte dann aus, wie um sie noch einmal zu treten. Doch dann zuckte er nur fast trotzig die Achseln, drehte sich auf dem Absatz herum und verschwand mit schnellen Schritten in der Dunkelheit.
Katharina lag etliche Augenblicke lang einfach nur auf dem Rücken, starrte die Wolken über sich an und war einfach nur dankbar dafür, noch am Leben zu sein; aber zumindest im gleichen Maße auch verwirrt. Wieso hatte der Dämon sie nicht getötet? Etwa aus Dankbarkeit, weil sie ihm zuvor das Leben gerettet hatte? Das konnte sich Katharina einfach nicht vorstellen … und eigentlich wollte sie es auch gar nicht, denn das hätte diesem Ungeheuer eine Menschlichkeit verliehen, die sie ihm nicht zugestehen wollte.
Irgendwann war sie wieder zu halbwegs klarem Denken fähig, setzte sich auf und tastete behutsam mit den Fingerspitzen nach ihrem Gesicht. Das Blut, das sie diesmal darauf spürte, war ihr eigenes, und es tat ekelhaft weh. Als sie mit der Zunge nach ihren Zähnen tastete, wurde der Schmerz nicht nur schlimmer, sondern sie stellte auch fest, dass zwei davon wackelten. Offenbar hatte sich der Dämon nicht nur die Hörner eines Ziegenbocks ausgeliehen, sondern bei ihm auch das Zutreten gelernt. Aber sie lebte noch.
Mit (vorsichtig) zusammengebissenen Zähnen stemmte sie sich in die Höhe, sah sich noch einmal aufmerksam um und konnte einen Schmerzenslaut nicht mehr ganz unterdrücken, als sie den ersten Schritt machte. Mindestens eine ihrer Rippen musste gebrochen sein und grub sich bei jeder Bewegung wie ein dünnes glühendes Messer in ihre Seite.
Zornig auf sich selbst und die Schwäche ihres Körpers, der sie anscheinend mit aller Macht daran hindern wollte, endlich Buße zu tun, humpelte sie weiter, spürte einen neuerlichen, stechenden Schmerz in
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