Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
das dunstige Flirren von Staub, von dem ihr ihre Fantasie immer noch weismachen wollte, es wäre Rauch.
»Es ist nichts mehr übrig«, sagte Baron zu Guthenfels neben ihr. Sie sah nicht hin, aber natürlich erkannte sie seine Stimme, und sie hörte das leise Klirren, mit dem die Ringe seines Kettenhemds aneinanderrieben, wenn er sich bewegte. »Das war dein Heimatdorf, nicht wahr?«
Katharina nickte stumm. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie musste schon wieder gegen die Tränen ankämpfen, was sie im ersten Augenblick nicht einmal selbst verstand. Es war nicht nur ihre überbordende Fantasie, die ihr zu schaffen machte, indem sie mit immer größerer Begeisterung die Schreckensbilderaus ihrer Erinnerung wiederauferstehen ließ. Guthenfels hatte Recht: Dies hier war ihre Heimat gewesen, mit Ausnahme der wenigen zurückliegenden kostbaren Tage das einzige Leben, dass sie jemals gekannt hatte, und auch wenn sich damit nur sehr wenige wirklich schöne Erinnerungen verbanden, so war es doch der Ort ihrer Kindheit, eben ihre Heimat. Sie in Trümmern daliegen zu sehen – genau genommen sie gar nicht mehr zu sehen, was beinahe schlimmer war – tat weh.
»Was … was ist denn passiert?«, brachte sie mühsam heraus.
Guthenfels’ Kettenhemd klirrte lauter, als er überrascht den Kopf wandte, um auf sie herabzusehen. »Ich dachte, du wüsstest es. Warst du nicht dabei?«
Katharina antwortete mit einer Bewegung, die irgendwo zwischen einem Kopfschütteln und einem Nicken angesiedelt war, und einem angedeuteten Heben der Schultern. »Sie … waren alle tot«, flüsterte sie. »Sie haben sie alle erschlagen.«
»Und das Dorf danach niedergebrannt«, fügte der Baron hinzu.
Katharinas Blick tastete immer unsteter und verzweifelter über das höhergelegene Ufer und suchte nach irgendeiner Spur des Dorfes, aber da war nichts. Sie schüttelte den Kopf. »Nicht, als ich hier war«, murmelte sie.
»Und da bist du ganz sicher?«, fragte Guthenfels.
Jetzt riss sie ihren Blick doch von dem auf so schreckliche Weise leeren Ufer los und sah zu dem Adligen hoch, und Guthenfels schien wohl selbst zu begreifen, dass das eine ziemlich dumme Frage gewesen war, denn ein fast verlegenes Lächeln huschte kurz über sein Gesicht und verschwand dann wieder. Ja, sie war sicher, dass das Dorf nicht in hellen Flammen gestanden hatte, während sie die Häuser eines nach dem anderen durchsucht und überall nur Tod und Schrecken gefunden hatte. Sie sparte es sich, laut zu antworten.
Während des kurzen Gespräches war auch Vera zu ihnen gekommen und sah jetzt genauso aufmerksam (und erstaunlicherweise mit ebenso besorgtem Gesichtsausdruck) in die Richtung, in der sich einst das kleine Dorf erhoben hatte. »Aber das ergibt keinen Sinn«, murmelte sie.
Guthenfels nickte zustimmend. »Zumal es genügend Zeugen gibt, die gesehen haben, wie die Nordmänner zurück zu ihrem Schiff gegangen und damit davongerudert sind, nachdem sie die Burg niedergebrannt haben«, fügte er hinzu.
Katharina blickte verwirrt von einem zum anderen. Sie versuchte vergebens, den Worten der beiden einen Sinn abzugewinnen. Den hätten sie nur, wenn …
Und dann begriff sie. »Das waren nicht Wulfgars Krieger«, murmelte sie.
Weder die Gauklerin noch Baron zu Guthenfels antworteten laut darauf, aber der Adlige nickte, und der Ausdruck in seinen Augen wurde noch besorgter. Für eine ziemlich lange Zeit blickte er einfach weiter schweigend dorthin, wo einst ihr Heimatdorf gewesen war, und er ließ dieses Schweigen immer weiter andauern, bis selbst die schwarze Silhouette der verbrannten Kirche im Dunst der Entfernung hinter ihnen verschwand. Erst dann drehte er sich mit einer sehr langsamen Bewegung ganz zu Katharina um und sah ihr durchdringend und ernst in die Augen.
»Das ist jetzt wichtig, mein Kind«, begann er. »Dein Großvater hat mir bereits alles erzählt, so, wie er es von dir gehört hat, aber ich möchte, dass du dich noch einmal genau zu erinnern versuchst. Alle im Dorf waren tot, als du zurückgekommen bist?«
»Bis auf Vater Cedric«, bestätigte Katharina. Aus dem unguten Gefühl, dass sie schon die ganze Zeit über plagte, wurde etwas anderes.
»Aber es hat nirgends gebrannt?«, fuhr der Baron fort. Er hob rasch die Hand, als sie sofort antworten wollte. »Überlegegenau. Nicht das kleinste Feuer? Nicht der winzigste Brand, der später hätte um sich greifen können?«
Ganz impulsiv wollte Katharina den Kopf schütteln, aber dann fiel ihr
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