Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
sehr hektische Aktivität aus. Katharina konnte nicht sagen, was die Männer im Einzelnen taten, und selbst wenn, hätte es ihr nichts bedeutet. Sie verstand von Schiffen allerhöchstens so viel, dass sie meistens klein und unbequem waren und auf dem Wasser schwammen, einem Element, das ihr zutiefst zuwider war. Aber das Boot schien tatsächlich schneller zu werden.
Auch die Sonne sank jetzt rasch. Aus der Dämmerung wurden graues Zwielicht und dann Dunkelheit, und als wäre das alles noch nicht genug, kam nun Nebel auf, der sich staubigen Spinnweben gleich über dem Fluss ausbreitete und lautlos die Ufer hinaufkroch. Außerdem wurde es kälter.
Mit dem Nebel kam die Feuchtigkeit, die nicht nur das Segel, sondern jedes bisschen Stoff an Bord durchtränkte und selbst ihr Kleid schwer und nass werden ließ. Hugin und Munin kamen herangewuselt, beschwerten sich lautstark piepsend bei ihr über den plötzlichen Kälteeinbruch und kuschelten sich dann mit ihrem nassen Fell rechts und links in ihre Halsbeuge, als wäre ihr noch nicht kalt genug. Katharina hob trotzdem die Hände und begann die beiden Kater zu streicheln. Aus dem jämmerlichen Piepsen wurde ein zufriedenes Schnurren, und Katharina lächelte leise und hob gerade noch rechtzeitig den Blick, um zu sehen, wie der Drache aus dem Nebel vor ihnen auftauchte.
Sie war sich in jedem einzelnen Moment der Tatsache bewusst, dass es nicht wirklich ein Drache war, den sie sah, sondern nur der kunstvoll geschnitzte Bug eines Wikingerschiffes, aber dieses Wissen nutzte ihr in den allerersten Momenten so wenig wie irgendeinem der Männer an Bord: Sie sah einen Drachen, der mit weit aufgerissenem Maul und drohend gebleckten Zähnen aus dem Nichts auftauchte, um sich auf sie zu stürzen und sie zu zerreißen, und ihr Herz schien sich in einen stacheligen Ball aus Eis zu verwandeln, der wie verrückt in ihrer Brust auf und ab sprang. Die Zeit schien stehenzubleiben.
Dann erlosch der Bann, und rings um sie herum wurde ein Chor gellender Schreckensschreie laut, und die Welt versank in reinem Chaos.
Die Fenrir schien mit einem einzigen gewaltigen Satz auf sie zuzuspringen, gefolgt von einer Explosion wirbelnder bronzefarbener Glühwürmchen, in der sich das Sternenlicht auf zahllosen Helmen und Schwertern und bronzenen Brustharnischen brach. Ein plötzliches Brausen und Zischeln erscholl, fast wie das Geräusch eines Vogelschwarms, oder von Wind, der in den Baumkronen spielte, und irgendetwas bohrte sich mit einem dumpfen Laut kaum eine Handbreit neben ihrem Fuß in die Decksplanken.
Einen unendlich schweren, halben Herzschlag lang starrte sie den gefiederten Todesboten einfach nur verständnislos an, ohne zu begreifen, was sie sah, dann wiederholte sich das Geräusch, lauter und schneller und hämmernder, wie Hagel, der rings um sie herum auf das Deck prasselte, und ein eher erschrockenes als wirklich schmerzerfülltes Keuchen erklang. Einer von Guthenfels’ Männern torkelte mit wild rudernden Armen rückwärts gehend an ihr vorbei und stürzte dann schwer auf das Deck; ein Pfeil hatte seinen Oberschenkel dicht unterhalb des kurzen Kettenhemdes durchbohrt.
Und dann brach endgültig die Hölle los.
Das Schiff bebte, als wäre es von der Faust eines unsichtbaren Riesen getroffen worden. Schreie, Dutzende, wie es ihr vorkam, erfüllten die Luft und mischten sich mit dem schrecklichen Geräusch von splitterndem Holz und dem immer noch anhaltenden Zischen und Prasseln des gefiederten tödlichen Hagels. Die beiden Kater verschwanden mit einem erschrockenen Fauchen von ihrer Schulter, und irgendjemand schrie ihren Namen, ohne dass sie die Richtung ausmachen konnte, aus der die Stimme kam, oder sie gar erkannte. Das Schiff erbebte zum zweiten Mal wie unter dem Faustschlag eines unsichtbaren Giganten, und diesmal spürte sie, wie tief unter ihren Füßen im Rumpf des Bootes etwas zerbrach.
Die Erschütterung war kräftig genug, sie nach vorne auf Gesicht und Hände zu werfen. Es tat weh, so sehr, dass sie vor Schmerz aufschrie und beinahe das Bewusstsein verloren hätte. Zwei oder drei Augenblicke lang war sie vielleicht wirklich benommen, denn alles rings um sie herum wurde plötzlich unwirklich und leicht; selbst der Schmerz in ihren Handflächen verschwand zwar nicht, verlor aber seinen Biss. Dann spülte eine eisige Welle über die niedrige Bordwand, in ihrer Angst und Einbildung höher als der Mast und brüllend wie ein mystisches Ungeheuer, dass aus den Tiefen des Flusses
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