Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
aber es ist viel zu gefährlich, nachts durch den Wald zu stolpern.«
Katharina sagte nichts darauf – was auch, sie hatte ja Recht –, und sie versanken erneut in tiefes und sonderbar bedrücktes Schweigen, das diesmal endlos lange anzudauern schien.
Katharina lauschte in sich hinein und hatte fast Angst vor dem, was sie dort entdecken würde, aber was sie wirklich fand, war noch schlimmer: Sie hätte Angst spüren sollen, Entsetzen oder doch wenigstens Trauer über all diese Menschen, die einen so grausamen und sinnlosen Tod gestorben waren, aber da schien rein gar nichts zu sein. Als wäre etwas in ihr schon so abgestumpft, dass sie diesen neuerlichen Schrecken einfach nur noch zur Kenntnis nehmen konnte. Wenn sie überhaupt so etwas wie Trauer empfand, dann um die beiden kleinen Kater, die vielleicht Allerunschuldigsten von allen, denen trotzdem das Leben genommen worden war.
Etwas knackte.
Katharina registrierte das Geräusch erst mit einiger Verspätung, aber Vera richtete sich kerzengerade auf, war dann mit einer einzigen fließenden Bewegung bei Guthenfels und zog den Dolch aus seinem Gürtel. Der Adlige wachte nicht einmal auf, sondern gab im Schlaf nur ein unartikuliertes Grunzen von sich,und Vera gestikulierte ihr, zu bleiben, wo sie war, und verschwand mit ebenso schnellen wie lautlosen Schritten im Unterholz. Katharina folgte ihr dichtauf und genauso schnell, wenn auch weit weniger leise. Nach wenigen Schritten erreichten sie das Ufer, und Vera machte eine warnende Bewegung, still zu sein.
Sie lauschten. Das Knacken wiederholte sich nicht, aber nun hörten sie ein Plätschern, das nicht ins gleichmäßige Geräusch des Flusses passte, und ein dreieckiges Wellenmuster bewegte sich auf sie zu; wie ein Schwimmer, der sich unter Wasser dem Ufer näherte.
Genauso war es auch, nur dass der Schwimmer nicht viel größer als eine aufrecht gehende Katze war, ein dunkles Fell und ein sonderbar helles Gesicht hatte, das nicht ganz menschlich war, aber auch ganz und gar nicht das eines Tieres, und mit einem vorwurfsvollen Schnattern und Keifen aus dem Wasser herauswatete, das noch bis zum anderen Ufer zu hören sein musste.
»Äffchen!« Vera ließ das Messer einfach fallen, war mit einem zweiten und noch lauteren Schrei bei dem winzigen Tier und riss es in die Höhe, um es so ungestüm an die Brust zu pressen und zu herzen wie eine Mutter, die ihr verloren geglaubtes Kind wiedergefunden hat. Und im nächsten Moment riss auch Katharina ungläubig die Augen auf und war mit einem eigenen, überraschten Schrei bei ihr.
Dwegr war nicht allein gekommen. Triefend nass und nicht nur wegen der Kälte und Erschöpfung lautstark piepsend und spuckend, sondern vor allem ob der groben Behandlung, trug er in jeder Hand den Schwanz einer winzigen pechschwarzen Katze, die er aus dem Fluss gezogen hatte.
*
Sonnenlicht kitzelte ihr Gesicht, als sie erwachte, und zwei winzige raue Katzenzungen leckten ihr abwechselnd über Wangen und Kinn. Noch bevor sie die Augen öffnete, drang ihr ein verlockender Geruch in die Nase, den sie erst mit einiger Verspätung als den von gebratenem Fisch identifizierte, und da war auch eine Stimme, die leise mit jemandem sprach. Nicht mit ihr. Leise lachend, weil es kitzelte, schob sie die beiden Kater von sich herunter, setzte sich auf und öffnete erst dann die Augen. Heller Sonnenschein sickerte grün gefiltert durch das Blätterdach über ihr, und sie hörte das seidige Rauschen des Flusses ganz in der Nähe, vermischt mit dem Gesang von Vögeln, die lautstark den neuen Tag begrüßten. Vera saß nur ein Stück weit entfernt am Feuer, drehte ihr den Rücken zu und hielt einen Stock über die Flammen, an dem zwei aufgespießte Fische brieten. Sie sprach mit leiser Stimme mit ihrem Äffchen, das ihr tatsächlich aufmerksam zuzuhören schien und ab und zu den Kopf von einer Seite auf die andere legte, als würde es ihre Worte sorgsam abwägen. Der Anblick war so … friedlich, dass ihr alles, was gestern geschehen war, nunmehr wie ein böser Traum vorkam.
»Du musst dich noch einen Moment gedulden«, sagte Vera, ohne sich zu ihr herumzudrehen. »Der Fisch ist gleich gut. Warum gehst du nicht zum Fluss hinunter und holst uns ein bisschen Wasser?«
Umständlich und nur auf den Zehenspitzen balancierend, wandte sie sich nun doch halb zu ihr um und machte eine Kopfbewegung in Richtung eines kleinen Tonkrugs mit zerbrochenem Henkel, der neben ihr im Gras stand. Katharina fragte sie erst gar
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