Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
mit einem einzigen Satz neben ihr und auf den Knien, aber erst, als sie ihr half, den in nasses Kettengeflecht gehüllten schweren Körper auf den Rücken zu drehen, erkannte sie ihm.
»Baron zu Guthenfels!«, entfuhr es ihr.
»Ja, und er lebt«, sagte Vera. »Hilf mir!« Dass sie nicht genau sagte, womit, machte weiter nichts, denn sie drehte Guthenfels schon aus eigener Kraft auf die Seite und schlug ihm mehrmals mit der flachen Hand und so fest auf den Rücken, als wollte sie ausprobieren, was sein Kettenhemd wirklich aushielt. Aber es funktionierte. Nach drei oder vier wuchtigen Schlägen begann Guthenfels plötzlich zu husten, krümmte sich und erbrach einen Schwall Wasser. Instinktiv wehrte er Veras Hände ab, krümmte sich noch weiter zusammen und rang ein paar Augenblicke lang verzweifelt nach Luft, fand seine Beherrschung aber schon nach wenigen mühsamen Atemzügen wieder. Zitternd stemmte er sich auf die Knie, barg noch einmal kurz das Gesicht in den Händen und betrachtete anschließend stammelnd seine Fingerspitzen, an denen frisches Blut klebte.
»Sie haben mich niedergeschlagen«, murmelte er.
»Aber immerhin lebt Ihr noch«, sagte Vera.
Guthenfels sah sie an, noch immer halb benommen, aber auch eindeutig so, als wäre es ja gerade das, was er nicht verstand, nickte aber dann nur und betastete noch einmal mit spitzen Fingern sein Gesicht. Blut sickerte aus seinem Haaransatz und vermischte sich mit dem Wasser auf seinen Zügen zu einem rosafarbenen Film.
»Was ist mit dir?«, fragte er dann, an Katharina gewandt.
»Mir ist nichts passiert«, antwortete sie.
»Gut«, sagte Guthenfels.
»Mir auch nicht«, sagte Vera. Guthenfels ignorierte sie, stand unsicher und sehr langsam auf und tat dann dasselbe wie sie gerade, indem er von einem Mann zum anderen ging und sie der Reihe nach rasch, aber sehr aufmerksam untersuchte. Allerdings auch mit demselben Ergebnis wie sie. Schließlich stand er ganz auf, balancierte vorsichtig zum Bug des kleinen Schiffes hin und stand eine ganze Weile hoch aufgerichtet und wie zu einer Statue erstarrt da und starrte in den Nebel, der die Fenrir verschlungen hatte.
»Sechzehn gute Männer«, flüsterte er. »Dafür wird er bezahlen.«
»Vielleicht sollten wir von hier verschwinden, bevor sie zurückkommen und siebzehn daraus werden«, sagte Vera. »Und zwei gute Frauen.«
Guthenfels maß sie mit einem stummen und beinahe vorwurfsvollen Blick und starrte dann noch einmal und fast genau so lange in den Nebel, aber schließlich nickte er und wandte sich mit einem Ruck ab. »Ja, vielleicht hast du Recht. Lasst uns zum Ufer gehen und irgendwo Hilfe suchen. Ich brauche einen sicheren Ort, an dem ich das Mädchen und dich lassen kann. Und ich muss weiter nach Zons.«
Vera sah ganz so aus, als wollte sie widersprechen, doch Guthenfels war bereits mit wenigen energischen Schritten zur Bordwand geeilt, sprang in den Fluss hinab, ohne auch nur in der Bewegung zu stocken, und ging in dem kaum hüfthohen Wasser genauso schnell und ohne das allergeringste Zögern unter.
Vera verdrehte die Augen, seufzte etwas, das sich wie Männer! anhörte und folgte ihm mit einem beherzten Sprung. Sie ging ebenfalls unter, und für einen Moment sprudelte und zischte das Wasser, als kämpften in seiner Tiefe gleich ganze Schwärme gewaltiger Raubfische gegeneinander. Dann tauchte sie prustend und heftig nach Luft ringend wieder auf, Guthenfels’ rechten Arm um ihre Schulter gelegt und sein Handgelenk festhaltend. Ihr anderer Arm umschloss die Hüfte des Adligen. Guthenfels drohte immer wieder zur Seite zu kippen und die allerhöchstens halb so schwere Gauklerin mit sich zu reißen, aber irgendwie schaffte sie es nicht nur, ihn festzuhalten, sondern sich auch mit mühsam stolpernden Schritten dem Ufer zu nähern.
»Es wäre nett, wenn du mir ein bisschen helfen würdest!«, beschwerte sich Vera. Katharina dachte tatsächlich ungefähr einen haben Atemzug lang darüber nach, kam aber zu dem Schluss, den sie ohnehin schon erwartet hatte: nämlich, dass die Gauklerin das eigentlich ganz gut allein schaffte und sie sie schließlich nicht um den Ruhm bringen wollte, den Baron ganz allein gerettet zu haben. Also sah sie zwar aufmerksam zu, wie Vera mühsam zum Ufer platschte und den nur halb wachen Baron mit sich zerrte, um ihr im Notfall beispringen zu können, sollten sie etwa die Kräfte verlassen, trat darüber hinaus aber einen Schritt zurück, kämpfte ihren Widerwillen und ihre Furcht nieder
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