Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
somit schon von Natur aus unheimlich waren, führte sie auf das gegenüberliegende Ufer, und was glaubte Vera eigentlich, dort zu finden?
»Ich will nicht auf Guthenfels’ Landgut«, sagte sie unvermittelt. »Und schon gar nicht an den Hof.«
»Aber es würde dir gefallen«, antwortete Vera. Einmal davon abgesehen, dass man dich kaum um deine Meinung fragen wird, fügte ihr Blick hinzu.
»Ich kann nicht einfach weglaufen«, beharrte sie.
»Hätten wir gestern Nacht nicht genau das getan, dann könntest du das jetzt wahrscheinlich nicht so vollmundig behaupten«, gab Vera zu bedenken.
»Das meine ich nicht«, beharrte Katharina. »Ich kann nicht einfach weglaufen und so tun, als wäre gar nichts passiert!«
»Du könntest dich umbringen lassen«, stimmte ihr Vera zu. »Aber warte damit, bis ich nicht mehr in der Nähe bin.«
Katharina setzte auch dazu zu einer – noch heftigeren – Antwort an, beließ es aber dann bei einem trotzigen Schulterzucken und mampfte schweigend ihren Fisch weiter. Vera hatte sehr gut verstanden, was sie meinte. Das Problem war eher, dass sie Recht hatte. Was sollte sie schon tun, vor allem jetzt, wo Erik und sein ganzes Volk abgereist und wahrscheinlich schon auf halbem Wege in ihre Heimat waren?
So schön der Morgen angefangen hatte, in so gedrückter Stimmung endete er. Vera versuchte noch zwei- oder dreimal, ein Gespräch in Gang zu bringen oder sie wenigstens mit einerwitzigen Bemerkung aufzuheitern, gab es aber irgendwann auf und verzehrte ihren Teil des Frühstücks ohne ein weiteres Wort. Ebenso schweigend löschte sie das Feuer, raffte ihre mageren Beutestücke zusammen und verstaute alles in einem Leinenbeutel, den sie am vergangenen Tag auch noch nicht gehabt hatte. Aber sie hatte nicht nur das kleine Weidenkörbchen vom Schiff geholt, sondern es auch mittels einiger Stricke und einer Menge Improvisationstalent so umgebaut, dass Katharina es auf dem Rücken tragen konnte, um die beiden Kater zu transportieren. Kurze Zeit später machten sie sich in die Richtung auf den Weg, in der Vera das Dorf gesehen zu haben meinte.
Den größten Teil des Wegs legten sie in unbehaglichem Schweigen zurück. Vera legte ein scharfes Tempo vor, das Katharina anfangs mühelos, später aber nur noch mit immer größerer Anstrengung mithielt. Als das Dorf schließlich in Sichtweite kam – wenn man es genau nahm, war es wenig mehr als ein schlammiger Weiler, um den sich eine Handvoll ärmlicher Hütten drängelten, die auch nicht prachtvoller aussahen als Ellsbusch früher –, war sie schon wieder so erschöpft, dass sie stehenblieb und auf einen Stein sank, um ein bisschen Kraft zu schöpfen. Vera eilte stur noch ein paar Schritte weiter, hielt aber dann doch an und kam widerwillig zu ihr zurück.
»Habe ich dir schon gesagt, dass du ziemlich schlecht in Form bist, für jemanden deines Alters?«, fragte sie.
»Ich habe auch eine Menge mitgemacht, für jemanden meines Alters«, nörgelte Katharina. Sie machte eine Kopfbewegung zum Dorf hin. Aus keinem der Kamine kräuselte sich Rauch, und zwischen den Gebäuden war keine Menschenseele zu sehen, was angesichts der Tageszeit ungewöhnlich war. Trotzdem war sie sicher, dass man sie längst gesehen hatte und die beiden Fremden misstrauisch beäugte. »Vielleicht ist es keine so gute Idee, wenn wir dort ankommen, als wäre der Teufel persönlich hinter uns her.«
Vera verdrehte zwar die Augen, als hätte sie gerade etwas ziemlich Dummes gesagt, setzte sich dann aber trotzdem neben sie und fragte: »Ist er das denn nicht?«
»Jetzt übertreibst du.«
»Ach?«, fragte Vera spitz, sah einen Moment lang konzentriert in die Richtung zurück, aus der sie gerade gekommen waren, als wäre sie nicht ganz sicher, dass Katharina wirklich nur einen Scherz gemacht hatte, und sah dann beinahe noch länger zum Dorf hin.
»Vielleicht hast du Recht«, sagte sie.
»Was Pardeville angeht oder meinen Großvater?«
»Das Dorf«, antwortete Vera unbeeindruckt. »Vielleicht ist es doch keine so gute Idee. Ich bin nicht mehr sicher, dass sie uns helfen werden.«
»Du kennst dieses Dorf?«, vermutete Katharina.
»Nein«, antwortete Vera, nickte absurderweise aber gleichzeitig. »Aber ich kenne Dörfer wie dieses. Die Leute sind arm, und arme Menschen sind sehr misstrauische Menschen. Solche wie ich sind dort nicht gerne gesehen.«
»Heißt das, ich soll allein dorthin gehen?«
»Vielleicht sollten wir einfach zurückgehen und warten, bis Guthenfels’
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