Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
und zwang sich, das verwüstete Deck noch einmal genauer in Augenschein zu nehmen.
Nach kurzem Suchen fand sie, wonach sie Ausschau gehalten hatte. Das Weidenkörbchen stand noch immer an derselben Stelle, an der sie es zurückgelassen hatte, war aber halb unterdem Körper eines erschlagenen Kriegers eingeklemmt, und selbst der Deckel lag noch darauf. Katharina brauchte all ihre Kraft, um den Leichnam zur Seite zu wälzen, und noch größere Überwindung kostete es sie, den Deckel abzuheben. Ihr Herz hämmerte vor Furcht, als sie es tat.
Der schreckliche Anblick, gegen den sie sich zu wappnen versucht hatte, blieb ihr erspart – aber das Bild des vollkommen leeren Korbes war beinahe genauso schlimm.
Sie verbrachte die nächsten endlosen Minuten damit, das verheerte Schiff vom Bug bis zum Heck abzusuchen, wobei sie unentwegt die Namen der beiden kleinen Kater rief. Aber sie fand weder Hugin noch Munin, und den Mut, die Toten zu bewegen und unter ihnen nachzusehen, hatte sie nicht. Sie hätte es nicht ertragen, sie erschlagen oder von einem Pfeil durchbohrt zu finden.
Schließlich gab sie es niedergeschlagen auf, stieg vorsichtig wieder ins Wasser und watete zum Ufer zurück.
Nur wenige Augenblicke später fand sie Vera und Guthenfels, und allerspätestens jetzt fragte sie sich ernsthaft, ob die Gauklerin vielleicht wirklich über geheime Hexenkräfte gebot, denn zwischen den beiden brannte ein knisterndes Feuer. Katharina blieb mitten in der Bewegung stehen, starrte die noch winzigen Flämmchen aus aufgerissenen Augen an und wandte sich dann verblüfft an Vera.
»Wie … hast du das … gemacht?«, fragte sie stockend.
»Vielen Dank auch für deine Hilfe«, nörgelte Vera, ohne auf ihre Frage einzugehen. »Es war überhaupt kein Problem, diesen Burschen hierherzubringen. Es wiegt ja kaum dreimal so viel wie ich. Warst du noch ein bisschen schwimmen, oder hast du nur die schöne Nacht genossen?«
»Hugin und Munin«, murmelte Katharina. »Ich kann sie nicht finden.«
»Deine beiden Kätzchen?«
Katharina nickte, und Veras Blick wurde weicher. »Das tut mir leid«, sagte sie. »Ich kann mein Äffchen auch nicht finden.«
Sie bedeutete Katharina, neben ihr Platz zu nehmen, und für eine Weile saßen sie einfach in vertrautem Schweigen nebeneinander und warteten darauf, dass die Flammen größer wurden und mehr als Rauch und die bloße Illusion von Wärme erzeugten. Und schließlich war es Guthenfels, der müde den Kopf hob und das Schweigen brach.
»Wir müssen das Feuer ausmachen.«
»Ist Euch zu warm, Herr?«, fragte Vera.
»Jemand könnte die Flammen sehen«, antwortete Guthenfels lahm. Eigentlich nuschelte er es mehr, fand Katharina. Er saß mit hängenden Schultern und weit nach vorn gebeugt da, als koste es ihn all seine Kraft, sich auch nur halbwegs aufrechtzuhalten. Vielleicht war er doch schlimmer verletzt, als es bisher den Anschein gehabt hatte.
»Wenn jemand das Licht sieht, sind wir verloren«, wiederholte Guthenfels womöglich noch undeutlicher. »Sie werden uns finden.«
»Fantasiert er?«, flüsterte Katharina.
Vera deutete nur ein Schulterzucken an, und Guthenfels sagte zum dritten Mal: »Wir müssen das Feuer ausmachen«, ließ sich zurück und mit dem Hinterkopf gegen einen Baumstamm sinken und schloss die Augen, um im nächsten Moment einzuschlafen. Vielleicht hatte er auch das Bewusstsein verloren.
Die Gauklerin stand auf, untersuchte ihn flüchtig und sah besorgt aus, als sie zurückkam. Auf Katharinas fragenden Blick reagierte sie jedoch nur mit einem Kopfschütteln. »Er ist nur ohnmächtig«, sagte sie. »Keine Sorge. Diese Adligen haben einen harten Schädel.«
In Wahrheit machte sich Katharina keine allzu großen Sorgen um Guthenfels – dazu war sie viel zu verstört –, aber sie schenkte Vera doch ein schüchternes Lächeln und rutschtenicht nur ein Stück näher an die Flammen, sondern auch an sie heran, als die Gauklerin sich wieder neben sie setzte. Das Feuer war inzwischen größer geworden und spendete deutliche Wärme, aber Katharina fragte sich besorgt, ob Guthenfels nicht vielleicht Recht gehabt hatte. So dunkel, wie die Nacht war, musste der Feuerschein meilenweit zu sehen sein. Was, wenn Wulfgar und seine Männer es sahen und zurückkamen, um zu Ende zu bringen, was sie auf dem Fluss angefangen hatten?
»Wir warten hier, bis die Sonne aufgeht«, sagte Vera, schon wieder, als hätte sie ihre Gedanken gelesen. »Wir finden bestimmt jemanden, der uns hilft,
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