Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
wirklich alles andere als ein schönes Heim für sie gewesen war – doch wenn er irgendetwas empfand, dann ließ er es sich nicht anmerken.
»Und … und wenn ich mit dem Baron rede?«, brachte sie mühsam heraus. »Ich kann ihm sagen, was wirklich passiert ist! Dieses Blutvergießen muss nicht sein! Noch ist es nicht zu spät!«
Wulfgar sah schweigend auf sie herab, und etwas änderte sich in seinem Blick, aber sie konnte nicht sagen, was.
»Ich bleibe auch bei dir!«, fügte sie verzweifelt hinzu. »Das verspreche ich! Ich bleibe für den Rest meines Lebens bei dir und deiner Sippe. Das schwöre ich, bei Gott und … und bei Odin und der Midgardschlange!«
»Schweig, Kind«, sagte Wulfgar. Aber er sagte es leise, fast sanft, und die Andeutung eines Lächelns huschte über sein Gesicht. Dann straffte er mit sichtlicher Anstrengung die Schultern, hob die Hand und rief mit lauterer Stimme: »Jetzt!«
An einem Dutzend Stellen an Bord glommen plötzlich winzige rote Funken auf, die binnen eines einzigen Augenblicks zu den lodernden Spitzen brennender Pfeile wurden, die ebenso viele Männer auf ihre Bogensehnen legten. Ohne dass es eines weiteren Befehles Wulfgars bedurft hätte, schossen sie. Zwei oder drei Pfeile verfehlten ihr Ziel und stürzten ins Wasser, dieallermeisten aber fielen wie brennender Regen auf die Wulfiborg hinab, verschwanden hinter der niedrigen Palisade oder fuhren in die hölzernen Wände des gewaltigen Gebäudes.
Einen einzelnen, nicht enden wollenden Herzschlag lang geschah gar nichts.
Dann explodierte die Wulfiborg.
Es ging unglaublich schnell, kaum die Zeitspanne eines Blinzelns und nicht einmal so lange, wie Katharina brauchte, um endlich zu begreifen, was der Grund für den stechenden Geruch gewesen war, den sie die ganze Zeit über wahrgenommen hatte. An einem knappen Dutzend Stellen erblühten plötzlich winzige, schier unerträglich grelle Feuerblumen, und das gesamte riesige Gebäude ging mit einem berstenden Schlag in Flammen auf. Rotes Feuer spritzte aus Fenstern und Türen, brennende Holzsplitter flogen tödlichen Geschossen gleich durch die Luft, und immer neue und schlimmere Explosionen krachten, spien Flammen und Rauch und mehrten die Feuersbrunst, die die hölzerne Burg schneller zu verzehren schien, als der Blick ihr zu folgen vermochte. Brennende Gestalten torkelten schreiend umher, stürzten aus Fenstern oder Türen oder sprangen verzweifelt um sich schlagend ins Wasser, um die Flammen zu löschen, die sie bei lebendigem Leibe verbrannten.
Und selbst das war noch nicht das Schlimmste. Noch während Katharina wie gelähmt dastand und zu begreifen versuchte, was sie sah, war es, als wäre ein brennender Stern vom Himmel gestürzt: Eine gewaltige Explosion riss beinahe die Hälfte des Haupthauses in Stücke, und eine brüllende Wolke aus blutroten Flammen wälzte sich dem Himmel entgegen, wie um das Firmament in Brand zu setzen.
Für einen Augenblick war es, als hielte die Zeit selbst den Atem an. Dunkelrotes flackerndes Licht überzog das Wasser, das Schiff und alles und jeden an Bord wie mit einem dünnen Film aus leuchtendem Blut, und trotz des immer noch anhaltenden und sogar noch lauter werdenden Getöses der sterbenden Burg schien zugleich eine gespenstische Stille einzukehren, als hätte der Lärm der von Menschenhand entfesselten Verheerung nicht nur alle anderen Geräusche übertönt, sondern einfach ausgelöscht .
Dann hallte ein Chor ebenso entsetzter wie wütender Stimmen über das Wasser von den anderen Schiffen zu ihnen herüber, und Katharina riss sich gewaltsam vom Anblick des lodernden Infernos los, das Wulfgar am Ufer angerichtet hatte, und sah wieder zur Sturmvogel und ihren beiden Schwesterschiffen hin. Sie begannen wieder Fahrt aufzunehmen, und sie sah, wie eine Woge unruhig gleitender Bewegung durch die Reihen der gerüsteten Männer an Deck der drei Schiffe lief, als sie ihre Waffen fester ergriffen und sich bereit machten, das Schicksal ihrer Kameraden an Land zu rächen.
Die Gelegenheit dazu sollten sie nie bekommen. Plötzlich glommen überall am Ufer winzige glühende Funken auf und wurden zu Fackeln oder brennenden Pfeilen, die auf Bogensehnen aufgelegt wurden, und auch hinter der Sturmvogel und den beiden anderen Schiffen entstand mit einem Male Bewegung, wo keine sein sollte. Etwas Großes, Dunkles und Bedrohliches löste sich vom Ufer der bewaldeten Insel, schwenkte herum und richtete sein aufgerissenes Drachenmaul auf die Sturmvogel
Weitere Kostenlose Bücher