Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
Fenrir überhaupt trafen, fuhren harmlos in die Bordwand oder prallten von den hochgerissenen Schilden der Krieger ab. Schon nach wenigen kraftvollen Ruderschlägen befanden sie sich außer Reichweite, und Katharina wandte sich mit einem erleichterten Seufzen um …
und erstarrte schier vor Entsetzen.
Gott hatte sich schon wieder einen makaberen Scherz mit ihr erlaubt, dachte sie. Die Rettung in letzter Sekunde hatte kaum länger als eben eine solche gehalten.
Wo die rettende Ausfahrt in den Rhein sein sollte, tauchte im allerersten Grau der Dämmerung die Sturmvogel auf, lautlos wie ein Gespenst, das Nebel und Dämmerung ausgespien hatten, und noch während sie versuchte, den schrecklichen Anblick zu verarbeiten, erschienen hinter ihr ein zweites und ein drittes Schiff.
Ein spürbarer Ruck ging durch die Fenrir , als die Männer diese neu aufgetauchten Gegner bemerkten und das Rudern einstellten, und für einen Moment wurde es fast unheimlich still, als die Krieger ringsum begriffen, in welch perfekt aufgestellte Falle sie gegangen waren.
Und wohl auch, dass ihr Schicksal besiegelt war.
Katharina zweifelte nicht daran, dass die Fenrir mit ihrer kampferprobten Besatzung ein Schiff wie die Sturmvogel besiegen konnte, ganz gleich, wie viele Soldaten sie auch an Bord hatte, aber gegen eine dreifache Übermacht bestehen zu wollen war aussichtslos.
Dennoch sah sie auf keinem einzigen Gesicht Furcht. Ansgar zog sie mit sich zum Bug und damit zu seinem Großvater, und jetzt sah sie auch Wulfgar wieder. Der riesige Wikinger hatte sich halb gegen den hochgezogenen Bugsteven des Schiffes gelehnt und die andere Hand auf den Rand seines Schildes gestützt, der an der Bordwand lehnte; eine scheinbar gelassene Haltung, die aus etwas größerer Entfernung vielleicht sogar Selbstsicherheit und unerschütterliches Vertrauen in die eigene Kraft ausdrückte. Aber Katharina sah, dass genau das Gegenteil der Fall war. Wulfgar zitterte. Er hatte kaum noch die Kraft, sich auf den Beinen zu halten.
»Was ist mit ihm?«, fragte sie.
Ansgar signalisierte ihr mit einem erschrockenen Blick, stillzu sein, antwortete aber trotzdem im Flüsterton: »Ellsbuschs Schwerthieb. Die Wunde ist wieder aufgebrochen und schlimmer denn je. Ich glaube, er stirbt.«
Täuschte sie sich, oder hörte sie echte Trauer in Ansgars Stimme? Trauer um Wulfgar, den Mann, der ihn entführt und seiner ganzen Familie um ein Haar den Untergang gebracht hätte?
»Er ist immerhin sein Großvater, Kind«, sagte Jorun, die ihnen gefolgt war, ohne dass sie es gemerkt hatte. Ebenso wenig hatte sie gemerkt, dass sie ihre Frage anscheinend laut ausgesprochen hatte, statt sie nur zu denken. »Und deiner übrigens auch.«
Betroffen sah sie zu Wulfgar hoch, aber der hatte anscheinend nichts gehört, sondern sah den drei näher kommenden Kriegsschiffen mit steinernem Gesicht entgegen.
Die Sturmvogel war langsamer geworden, während die beiden anderen Schiffe nun nach rechts und links schwenkten, um ihnen jeden Fluchtweg abzuschneiden; vielleicht auch, um die Fenrir in die Zange zu nehmen. Aber wenn Wulfgar die Bedeutung dieses Manövers klar war, so ließ er sich nichts anmerken, so wenig wie Erik, der zwar ernst, erstaunlicherweise aber nicht wirklich besorgt aussah.
Auch er sah der feindlichen Flotte einen Moment lang mit starrer Miene entgegen, dann seufzte er tief, tauschte einen langen Blick mit seinem Bruder und drehte sich dann mit einem noch tieferen Seufzen herum, um zur Wulfiborg zurückzusehen.
Auf dem Steg standen nur noch eine Handvoll Männer, die aufmerksam in ihre Richtung blickten und vermutlich darauf warteten, den letzten Akt des grausamen Schauspiels beobachten zu können. Die meisten waren wieder hinter der Palisade verschwunden, und der Wind trug ihre aufgeregten Stimmen und Rufe heran, manchmal auch ein lautstarkes Poltern oder Klirren und Scheppern.
»Was … tun sie?«, fragte Katharina beunruhigt.
»Das, was Söldner immer tun,wenn der Kampf vorbei ist«, antwortete Jorun verächtlich. »Sie plündern.«
Katharina sah erschrocken zu Wulfgar hoch. Auch der ungeliebtere ihrer beiden neuen Großväter hatte sich umgedreht und sah zu der hölzernen Burg zurück, die für die letzten zehn Jahre sein Zuhause gewesen war. Katharina konnte sich nicht vorstellen, dass es ihn nicht berührte, was genau in diesem Moment damit geschah – selbst sie hatte mit den Tränen kämpfen müssen, als sie die verkohlten Ruinen von Ellsbusch sah, das nun
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