Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
Stunden hier, und dann brechen wir auf«
»Und das alles nur weil du glaubst –«, begann Ansgar, und sein Großvater fiel ihm nicht einmal laut, aber mit schneidender Schärfe ins Wort:
»Und das alles nur, weil dein Skalde es dir sagt, ja.«
Ansgar presste wütend die Lippen aufeinander, aber er wagte es nicht mehr, zu widersprechen. Stattdessen warf er Katharina noch einen Blick zu, der vor Zorn sprühte, fuhr dann auf dem Absatz herum und stapfte wütend nach draußen. Erik bückte sich, um die zwei übriggebliebenen Kleider aufzuheben.
»Das … das tut … mir wirklich leid«, stammelte Katharina. »Ich … ich wollte wirklich nicht, dass meinetwegen –«
»Es ist nicht deinetwegen, Mädchen«, unterbrach sie Erik. Er machte eine Kopfbewegung auf das Lager aus Fellen. »Es ist spät geworden. Versuch ein wenig zu schlafen. Wir brechen morgen sehr früh auf, und es wird ein anstrengender Tag.«
Und damit ging er, ohne ein einziges Wort der Erklärung.
*
Letzten Endes war es Freya, die ihr das Leben (oder doch zumindest die Freiheit) rettete; nicht die Göttin aus dem vielgestaltigen Pandämonium von Ansgars Volk, sondern die grauschwarz gestreifte Katze. Sie musste einen Narren an Katharina gefressen haben; vielleicht hatten sie auch die Götter geschickt, oder sie war einfach nur verrückt.
Katharina brauchte lange, um überhaupt Schlaf zu finden,und sie hatte das Gefühl, die Augen gerade erst zugemacht zu haben, als sie schon wieder geweckt wurde, von einem lautstarken Schnurren und einer rauen Zunge, die ihr kreuz und quer über das Gesicht leckte.
Mit einem unwilligen Murren hob sie die Lider und blickte in ein Paar unheimlicher leuchtender Augen, die sich unmittelbar vor ihrem Gesicht befanden.
»Freya?«, murmelte sie verschlafen.
Ein noch lauteres Schnurren antwortete ihr, außerdem ein Piepsen, das seltsamerweise aus verschiedenen Richtungen zugleich zu kommen schien. Irgendetwas zerrte an ihren Haaren, und winzige spitze Zähnchen knabberten an ihren nackten Zehen.
Noch immer ein wenig benommen richtete sie sich auf, sah sich um, blinzelte zweimal und sah sich dann noch einmal um, aber es blieb dabei: Es war kein Traum. Freya hatte offensichtlich nicht nur beschlossen, ihr einen nächtlichen Besuch abzustatten, sondern mit Sack und Pack umzuziehen; genauer gesagt mit ihren vier Jungen, die fröhlich auf ihr herumwackelten, sie beschnupperten und ihre winzigen Zähne und Krallen an ihrem lebenden Spielzeug ausprobierten. Katharina war noch nicht wach genug, um zu entscheiden, ob sie das niedlich oder einfach nur lästig finden sollte. Sie brauchte wirklich ein bisschen Schlaf. Aber immerhin versuchten die kleinen Biester nicht, sie umzubringen.
Etwas polterte. Katharina hob den Kopf, um zum Ausgang zu sehen, von wo das Geräusch gekommen war, und eine der jungen Katzen kniff sie so fest in den kleinen Zeh, dass sie mit einem schmerzerfüllten Zischen herumfuhr und den kleinen Quälgeist abschüttelte.
Und das war der einzige Grund, aus dem sie die schmale Messerklinge sah, die in der Zeltplane hinter ihr erschien und sie nahezu lautlos aufschlitzte.
Katharina verschenkte etliche unendlich kostbare Sekunden damit, die Klinge und den länger werdenden Riss einfach nur mit offenem Mund anzustarren. Erst, als sie den verschwommenen Schatten dahinter sah, ging ihr auf, dass der Besitzer dieses Messers vermutlich nicht nur gekommen war, um ihr Zelt zu demolieren.
Hastig pflückte sie die Katzen von sich herunter und musste dann deutlich mehr Mühe aufwenden, um sich Freyas raspelnden Liebesbezeugungen zu erwehren, und stand lautlos auf, um zum Ausgang zu huschen.
Um ein Haar wäre es ihr letzter Schritt gewesen.
Katharina kam im allerletzten Moment auf den Gedanken, einen Blick durch den schmalen Spalt zu werfen, bevor sie die Zeltplane zurückschlug, und beglückwünschte sich im nächsten Moment selbst zu ihrer Umsicht. Der Mann, der vor ihrem Zelt Wache gehalten hatte, war noch immer da, aber jetzt lag er reglos am Boden, und eine zweite, dunkel gekleidete Gestalt beugte sich über ihn und wischte gerade in diesem Moment eine blutige Messerklinge an seinem Mantel ab.
Hinter ihr raschelte es, und Katharina registrierte eine huschende Bewegung aus den Augenwinkeln und reagierte ganz instinktiv, indem sie sich zur Seite warf und so der zupackenden Hand des Mannes entging, der sich den Weg in ihr Zelt freigeschnitten hatte. Der Bursche stolperte mit einem überraschten Grunzen an ihr
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