Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
murmelte sie ungläubig.
»Du kannst sie … alle drei behalten«, bestätigte Ansgar. Er wirkte immer noch verwirrt, fast erschrocken. »Sie will nur, dass du jetzt irgendeines anziehst, damit sie das andere mitnehmen und nähen kannst.« Er wandte sich in fragendem Ton an Nardis, und diesmal hörte sich ihre Antwort ungeduldig an.
Es fiel Katharina immer noch schwer, zu glauben, was sie gerade gehört hatte. Diese unendlich kostbaren Kleider sollten ihr gehören? Alle drei? Niemand in ganz Ellsbusch hatte drei Kleider besessen!
Und auch Ansgar schien es nicht anders zu ergehen. Er starrte die Kleider an, dann Nardis und dann wieder die Kleider. Irgendwie, dachte Katharina, sah er er ein bisschen so aus, als hätte er gerade ein Gespenst gesehen.
»Stimmt etwas damit nicht?«, fragte sie.
»Nein, nein«, sagte Ansgar hastig. »Es ist nur … diese Kleider haben …«
»Was?«, fragte Katharina, als er nicht weitersprach.
»Nichts«, sagte Ansgar halblaut. »Zieh dich um. Nardis wartet.«
Die alte Frau unterstrich seine Worte mit einem abermaligen Händefuchteln, und Katharina hob die Hand, um das Kleid abzustreifen, hielt dann mitten in der Bewegung inne und sah Ansgar scharf an.
»Was?«, fragte Ansgar.
Nardis starrte ihn ebenfalls an, und Ansgar sah einen Moment lang noch verwirrter aus, fuhr dann plötzlich und eindeutig schuldbewusst zusammen und trollte sich.
Sie wartete, bis sich die Zeltplane hinter ihm geschlossen hatte, dann streifte sie das beschädigte Kleid über den Kopf und bückte sich wahllos nach einem der anderen. Alle drei waren so prachtvoll, dass es ihr schier unmöglich war, eine Auswahl zu treffen.
Einen Unterschied jedoch gab es: Anders als das Kleid, das sie gestern bekommen hatte, waren ihr diese zu groß. Nicht so sehr, dass sie sie nicht hätte tragen können, aber sie waren zu weit, und ihre Säume schleiften über den Boden.
Nardis löste das Problem, indem sie plötzlich einen schmalen und ebenfalls mit kostbaren Stickereien verzierten Gürtel hervorzauberte, den sie ihr um die Hüfte band. Anschließend trat sie hinter sie, wie Katharina annahm, um das Kleid am Rücken zuzuschnüren. Statt dessen spürte sie plötzlich Nardis’ Fingerspitzen, die über ihre Schulter tasteten und fast ehrfürchtig die Konturen des Muttermales nachzeichneten.
»Dieses Mal bedeutet etwas, habe ich Recht?«, fragte sie.
Natürlich antwortete die alte Frau nicht, denn sie hatte die Frage wahrscheinlich gar nicht verstanden, aber sie ließ von ihr ab, verschnürte nun sehr hastig das Kleid und drehte sie dann um, um noch eine Weile an ihr herumzuzupfen und -zuzerren, bis ihr neues Kleid einigermaßen saß.
»Verstehst du, was ich sage?«, fragte sie.
Wenn es so war, dann ließ sich Nardis jedenfalls nichts anmerken. Sie lächelte nur, zupfte noch eine Weile an ihr herum und trat dann zurück, um ihr Werk zu begutachten; aber sie sah ihr dabei so auffällig nicht ins Gesicht, dass es schon fast unheimlich war. Schließlich sagte sie noch ein paar abschließende Worte, hob das zerrissene Kleid auf und ging.
Katharina wollte ihr folgen, karn aber nur bis zum Ausgang. Derselbe Mann, der schon am Morgen vor ihrem Zelt Wache gehalten hatte, stand auch jetzt wieder davor, beließ es nun aber nicht mehr bei einem freundlichen Blick, sondern schüttelte den Kopf und bedeutete ihr mit unmissverständlichen Gesten, dass sie drinnen zu bleiben hatte. Wie es aussah, war sie nun endgültig eine Gefangene.
Enttäuscht zog sie sich wieder ins Zelt zurück, spielte einen Moment ernsthaft mit dem Gedanken, sich einen anderen Weg nach draußen zu suchen, und verwarf ihn schon allein deswegen, weil sie dabei über den Boden hätte kriechen müssen und ihr neues Kleid schmutzig geworden wäre; oder gar zerrissen. Lieber vertrieb sie sich die Zeit damit, die beiden anderen Kleider zu betrachten, die ausgebreitet auf dem Boden lagen; ein Zeitvertreib, dessen sie nicht müde wurde. Diese Kleider umgab zweifellos ein großes Geheimnis, und sie war nicht einmal sicher, dass es nicht düster oder gar gefährlich war, aber sie waren auch ein Schatz, so unermesslich kostbar, dass so mancher sein Leben dafür gegeben hätte.
Sie selbst eingeschlossen.
Sehr lange musste sie sich nicht gedulden. Schon nach kurzer Zeit wurden draußen wieder Stimmen und Schritte laut, und Erik, Ansgar und Guy de Pardeville betraten das Zelt. Der ausländische Edelmann war wütend, und er machte auch gar keinen Hehl daraus, wem
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