Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
willst.«
»Wie … bitte?«, murmelte Katharina. Sie verstand nicht, was Eriks letzte Worte bedeuteten.
»Du bleibst hier«, sagte Erik noch einmal. »Ich schicke Guy de Pardeville fort, und du bleibst bei uns. Wir werden später miteinander reden, wenn ich über einiges … nachgedacht habe.«
Er wandte sich an Ansgar. »Du gibst auf sie acht, hast du verstanden? Ich lasse zwei Männer als Wache vor dem Zelt, aber du bist mir für sie verantwortlich.«
Ansgar nickte so schnell, dass ihm gewiss keine Zeit geblieben war, über den Sinn dieses Befehles nachzudenken, und als Erik herumgefahren und aus dem Zelt gestürmt war und er sich wieder zu Katharina herumdrehte, sah er einfach nur ratlos aus.
Trotzdem fragte Katharina: »Und was bedeutet das jetzt?«
»Dasselbe wollte ich dich gerade fragen«, sagte Ansgar verstört. »Ich … verstehe gar nichts mehr.«
Mit einem schnellen Schritt war er neben und einem zweiten hinter ihr, drehte sie kaum weniger grob herum als sein Großvater zuvor und zog ihr das Kleid auf eine Art von den Schultern, die ihm unter allen anderen nur denkbaren Umständen eine Ohrfeige eingehandelt hätte. Seine Finger fuhren über ihren Rücken und tasteten über dieselbe Stelle wie die seines Großvater zuvor, nur dass sie sich nicht wie eine raue Feile anfühlten, sondern auf sonderbare Art … nun ja, angenehm.
»Es sieht wirklich wie eine Schlange aus«, sagte er. »Ist es ein Muttermal?«
»Woher soll ich das wissen?«, fragte Katharina spitz. »Ich habe es noch nie gesehen, weißt du?«
Ansgar blinzelte, ein bisschen verwirrt ob ihrer plötzlichen Feindseligkeit, zuckte aber dann nur mit den Schultern und zog ihr Kleid mit hoffnungslos übertrieben zupfenden Bewegungen wieder hoch, räusperte sich überdeutlich und geduldete sich, bis sie sich wieder zu ihm herumdrehte. Katharina wich seinem Blick aus, und nun war sie es, deren schlechtes Gewissen sich meldete. Ansgar hatte nur freundlich sein wollen, und so dankte sie es ihm. Er konnte ja nicht wissen, dass Vater Cedric sie ein paarmal geschlagen hatte, einfach nur, weil es da war.
»Es … äh … sieht wirklich ein bisschen aus wie eine Schlange«, begann er unbeholfen. »Fast wie das –«
»Ja?«, fragte Katharina, als er nicht weitersprach.
»Du … ähm … hattest es schon immer?«, fragte er ausweichend.
»Ist das bei Muttermalen nicht meistens so?«, erwiderte Katharina. »Dass man sie schon immer hatte?«
Ansgar hob abermals die Schultern. »Ich weiß wirklich nicht, warum mein Großvater das gesagt hat«, versicherte Ansgar. »Oder was es bedeutet.«
Katharina glaubte ihm; und sei es nur, weil sie es wollte.
Aber das machte es nicht besser.
*
Nicht lange danach kam Nardis zu ihnen, eine der drei älteren Frauen, die sie schon am Morgen kennengelernt hatte. Sie brachte nicht nur eine kleine Öllampe mit, deren winzige Flamme das Zelt mit unstet hin und her springenden Schatten erfüllte, sondern auch Nähzeug, um ihr Kleid zu flicken. Eriks grobe Behandlung hatte ihm jedoch endgültig den Rest gegeben. Nardis betrachtete den hässlichen Riss nur einen Moment lang stirnrunzelnd, wandte sich dann mit einem einzelnen, irgendwie vorwurfsvoll klingenden Wort an Ansgar und verschwand, nachdem sie ihm die Lampe in die Hand gedrückt hatte. Katharina wartete auf ein Wort der Erklärung, bekam aber keine, doch schon nach wenigen Augenblicken kehrte die alte Frau zurück, diesmal ohne ihr Körbchen mit Nähzeug in der Hand.
Stattdessen brachte sie gleich drei Kleider mit, die sie sorgsam auf dem Boden ausbreitete und dann mit einem aufgeregten Schnattern in ihrer sonderbaren Sprache darauf deutete, wobei sie abwechselnd Ansgar und sie auffordernd ansah.
»Soll ich mir … darf ich mir eines davon aussuchen?«, fragte Katharina ungläubig.
Jedes dieser drei Kleider war prachtvoller und kostbarer als alles, was sie je zuvor gesehen hatte. Sie alle bestanden aus demselben weichen Wildleder wie das zerrissene Kleid, das sie gerade trug, aber mit kostbaren Stickereien und Zierrat versehen; Kleider, die einer Königin würdig gewesen wären, nicht einem armen Waisenkind wie ihr.
Ansgar wirkte mindestens genau so überrascht wie sie selbst, wandte sich in fragendem Ton an Nardis und erntete ein noch aufgeregteres Schnattern und Armefuchteln. »Nein«, sagte er dann, und noch bevor das Gefühl von Enttäuschung gänzlich Gestalt in ihr annehmen konnte, fügte er hinzu: »Sie sind alle drei für dich.«
»Wie?«,
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