Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
Gedanken und marschierte nun doch dem Fluss folgend los, wenn auch in respektvollem Abstand zu seinen zischenden Fluten. Dass sie ihnen einmal ein Schnippchen geschlagen hatte, bedeutete nicht, dass es ihr auch ein zweites Mal gelingen würde. Sie nahm sich vor, einfach so lange am Ufer entlangzugehen, bis Bjarnisund und der Thinghügel hinter ihr in der Nacht verschwunden waren, und sich dann landeinwärts zu wenden; was immer sie dort auch erwarten mochte.
Es wurde ein langer Marsch. Die längste Strecke, die sie bisher in einem Stück zurückgelegt hatte, war der Weg von Ellsbusch zur gleichnamigen Burg hinauf gewesen, aber sie musste schon mindestens die doppelte Entfernung marschiert sein, bevor das rote Glühen am Nachthimmel hinter ihr auch nur sichtbar nachzulassen begann, und die Dunkelheit, die sich vor ihr ausbreitete, schien wortwörtlich endlos zu sein. Dazu kam, dass ihr immer kälter wurde. Das Kleid begann langsam auf ihrer Haut zu trocknen, wurde dabei aber nicht im Geringsten wärmer, sodass sie nun ununterbrochen mit den Zähnen klapperte und ihr eigener Atem als grauer Schleier vor ihrem Gesicht hing. Ihre Zehen waren so kalt, dass jeder Schritt wehtat, und ihre Finger begannen allmählich taub zu werden. Und als wäre das alles nicht genug, begann ihr Magen zu knurren. Das gute Leben in Bjarnisund mit zwei warmen Mahlzeiten pro Tag und so viel Brot und Obst zwischendurch, wie sie nur wollte, hatte sie anscheinend schon nach kurzer Zeit verweichlicht. Vater Cedric hatteanscheinend doch Recht, dachte sie: Gott verschenkte nichts, sondern verlangte für alles und jedes einen Preis.
Vielleicht war es an der Zeit, dass sie sich einen anderen suchte.
Der Gedanke war so absurd, dass sie mitten im Schritt innehielt und einen Schauer heißer Furcht verspürte. Das war pure Ketzerei, so schlimm, dass sie erschrocken herumfuhr und allen Ernstes darauf wartete, die Dunkelheit aufreißen und Gottes Racheengel hervortreten zu sehen.
Nichts dergleichen geschah. Nur die Dunkelheit schien noch ein bisschen dunkler zu werden, und die Kälte berührte sie wie mit unsichtbaren eisigen Händen.
Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, dass die Finsternis vor ihr tatsächlich finsterer war. Sie konnte nicht erkennen was, aber irgendetwas war dort vorne. Es machte ihr Angst.
Mit schon wieder heftig klopfendem Herzen ging sie weiter, blieb alle paar Schritte wieder stehen, um ihre Furcht niederzukämpfen, und stellte schließlich fest, dass diese bedrohliche Mauer aus klumpiger Schwärze nichts anderes war als ein Wald, dessen Ränder mit der Nacht verschmolzen.
Katharina atmete hörbar erleichtert auf und ging nun deutlich schneller weiter. Der Wald würde ihr wenigstens Schutz vor dem schneidenden Wind bieten, und vielleicht fand sie sogar einen Platz, an dem sie sich verstecken und den Rest der Nacht verbringen konnte. Ganz flüchtig nur dachte sie daran, dass es dort vielleicht gefährliche Tiere gab – Wölfe oder Wildschweine und möglicherweise sogar Bären –, verfolgte aber auch diesen Gedanken nicht bis zu seinem Ende, das sie nur entmutigt hätte. Was geschehen würde, das würde geschehen, so einfach war das. Sie hatte ihr Leben längst in Gottes Hände gelegt, und sie konnte nur hoffen, dass er nicht allzu nachtragend war.
Außerdem mieden wilde Tiere im Allgemeinen die Nähe der Menschen.
Die meisten wenigstens.
Katharina erreichte den Waldrand, blieb wieder stehen und versuchte die Dunkelheit mit Blicken zu durchdringen, aber sie war wie eine Mauer, die alles Licht und jedes Geräusch zu verschlucken schien. Und je länger sie darüber nachdachte, desto weniger klug erschien es ihr, in diesen nächtlichen Wald einzudringen. Nicht nur wegen der Raubtiere, die es dort vielleicht gab, oder der Gefahr, sich ihr prachtvolles neues Kleid zu zerreißen. Die Dunkelheit dort drinnen war vollkommen, und sie kannte sich in dieser Gegend nicht aus und hatte nicht die geringste Ahnung, wie groß dieser Wald war. Sie wäre nicht die Erste, die sich hoffnungslos im Wald verirrte und nie wieder gesehen wurde. Vorsichtshalber entschied sie, nur dem Waldrand zu folgen und abzuwarten, wohin er sie führte. Ansgar hatte irgendetwas von einer Stadt erzählt, die in dieser Richtung liegen sollte.
Sie hatte noch kein Dutzend Schritte gemacht, als sie ein Geräusch hörte und wie angewurzelt stehenblieb. Ihr Herz begann schon wieder wie verrückt zu hämmern, und ihre Fantasie, die sich anscheinend vorgenommen
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