Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
als solche Dämonen und Teufeln gleichzusetzen, vielleicht sogar schlimmer, denn die Diener des Satans wurden schließlich als solche geboren und hatten gar keine Wahl, die Menschen hingegen wohl. Doch es wollte ihr nicht gelingen, die gebührende Verachtung zu empfinden. Auch wenn ihr klar war, dass sie diese Menschen hier (und erst recht ihre Art zu leben) noch lange nicht gut kannte.
Völlig reglos blieb sie hinter ihrem Fenster stehen, bis die Gemeinde einer nach dem anderen wieder aus der Kirche herauskamen. Manche – längst nicht alle, und ausschließlich Männer – wandten sich zum Tor und verließen den Ort, vermutlich um auf den Beginn des Things zu warten, die anderen kehrten in ihre Häuser zurück oder gesellten sich zu denen, die diskutierend herumstanden. Selbst wenn Katharina ihre Sprache verstanden hätte, wäre sie viel zu weit entfernt gewesen, um zu hören, worüber dort draußen gesprochen wurde … aber das war auch gar nicht nötig. Sie konnte die angespannte Stimmung spüren, die über dem ganzen Ort lag, eine Mischung aus Nervosität, mühsam unterdrückter Furcht und Trauer, und auch ihr selbst erging es nicht anders. Vielleicht erging es ihr von allen hier sogar am schlimmsten, denn sie hatte weder zu Guthenfels’ Worte noch den Hass in Vater Cedrics Augen vergessen.
Und während sie so dastand und darauf wartete, dass die Sonne unterging, kam sie zu einem Entschluss.
*
Obwohl sie wusste, dass dort oben nur ein harmloses Feuer brannte, machte ihr der Anblick Angst, denn er erinnerte sie zu sehr an jene schreckliche Nacht, in der Ellsbusch untergegangen war. Der Himmel über dem Hügel jenseits der Palisadenwand glühte in einem düsteren Rot, und der Wind, der sich beständig drehte, trug manchmal ein Durcheinander aus erregten Stimmen an ihr Ohr.
Das Thing dauerte jetzt seit einer guten Stunde an, und obwohl sie nichts von dem verstand, was dort oben gesprochen wurde, so war doch klar, dass es wohl noch bis tief in die Nacht andauern würden.
Und das musste es auch, wenn sie eine Chance haben wollte, ihr Vorhaben zu verwirklichen.
Sie zweifelte nicht daran, dass Erik sie suchen lassen würde, sobald ihr Verschwinden auffiel, und bis dahin musste sie ein möglichst großes Stück zwischen sich und Bjarnisund legen, und das möglichst, ohne Spuren zu hinterlassen.
Schon den Ort zu verlassen hatte sich als schwieriger erwiesen, als sie erwartet hatte. Das Tor stand offen und wurde nicht bewacht, aber es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, und sie war nicht sicher, dass man sie gehen lassen würde.
So blieb ihr nur ein Weg, Bjarnisund ungesehen zu verlassen, und selbstverständlich war es der, vor dem sie die allergrößte Angst hatte: der Weg durch das Wasser.
Das Palisadendorf war so angelegt, dass sein hölzerner Schutzwall nicht nur bis zum Ufer hinab, sondern auch noch ein gutes Stück weit ins Wasser hineinreichte, und nachdem Katharina einen passenden Moment abgewartet hatte und ungesehen hingeschlichen war, fiel ihr zweierlei auf: Das Ufer fiel an dieser Stelle nicht nur außergewöhnlich steil ab; um es richtig spaßig zu machen, hatte der Rhein an dieser Stelle auch eine außergewöhnlich starke Strömung. Schon beim Anblick der dahinschießenden Wassermassen, die im blassen Licht des Mondes wie eine Mischung aus geschmolzenem Silber und Teer glänzten, zog sich ihr Magen zu einem schmerzenden Klumpen zusammen, und für einen kleinen Moment war sie drauf und dran, einfach aufzugeben und zurückzugehen, um ihr Schicksal endgültig in Gottes Hände zu legen.
Auf der anderen Seite: Wenn Vater Cedric auch nur mit einem Teil von dem Recht hatte, was er behauptete, dann hatte sie Gott hinlänglich genug verärgert, um keine allzu große Gnade mehr von ihm erwarten zu dürfen.
Katharina dachte diesen Gedanken vorsichtshalber nicht zu Ende, sondern schalt sich einen erbärmlichen Feigling (der sie war), stützte sich mit der linken Hand am steinharten Holz der Palisade ab und watete mit zusammengebissenen Zähnen in den Fluss hinaus. Ein leises Zischen kam über ihre Lippen, als sie spürte, wie kalt das Wasser wirklich war, und ihr Herz begann immer schneller und härter zu klopfen. Der Flussgrund unter ihren nackten Füßen fiel erschreckend steil ab, und als wäre das allein noch nicht schlimm genug, war er mit rutschigem Schlick bedeckt, auf dem sie so gut wie keinen Halt fand. Sie würde ausrutschen und jämmerlich ertrinken, das war sicher.
Was sie nicht daran
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