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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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ältere Herr ruhig.
    »Das ist sie! Ich vergesse kein Gesicht!«, echauffierte sich Seine Majestät. »Kennt Ihr sie denn überhaupt?«
    »Das Gesicht stimmt, Majestät. Aber sie ist es nicht.«
    »Ist sie nicht?«
    »Nein. Sie hat die falschen Augen!«
    Maximilian blickte aufmerksam in Lisbeths braune Augen. »Das stimmt! Hackenay, Ihr versteht doch etwas von Frauen! Die andere hatte ganz ungewöhnliche Augen. Bernsteinfarben, wie die Eu…« Maximilian stockte, und ein verstehendes Grinsen breitete sich über sein Gesicht. »Hackenay! Mir schwant, Ihr kennt sie besser, als ich erwartet habe!«, rief er aus.
    Sprachlos verfolgte Lisbeth den kurzen Disput der Herren, dessen Gegenstand sie war. Sie blickte von einem zum andern. Hackenay! Der Hof- und Rechenmeister des Königs. Das also war er – Fygens leiblicher Vater – und somit ihr, Lisbeths, Großvater.
    Lisbeth wusste um die Zusammenhänge, das Geheimnis um die uneheliche Geburt ihrer Mutter, doch sie war Hackenay nie begegnet. Ihre Mutter und der Rechenmeister hatten keinen Umgang miteinander gepflegt, und soweit Lisbeth wusste, war Fygen ihrem Vater seit jenem schicksalhaften Empfang im königlichen Hof nicht mehr begegnet.
    Für Lisbeth war Nikasius Hackenay immer nur eine schemenhafte Figur gewesen. Ein Mann, der die Verliebtheit eines jungen Mädchens ausgenutzt hatte, es zu verführen, und dann um seiner Karriere willen eine andere geehelicht hatte.
    Eingehend, doch mit der vorsichtigen Distanz, mit der man ein seltenes Tier betrachtet, musterte sie den Mann, der ihr genauso wenig ein Großvater war wie der alte Wilhelm Lützenkirchen im fernen Valencia.
    Der Rechenmeister war trotz seines Alters – er musste die sechzig lange überschritten haben – ein auffallend gutaussehender Mann. Er war groß gewachsen, hielt sich überdies sehr aufrecht, und sein sympathisches Gesicht unter dem eisgrauen Haar hatte eine gesunde Farbe. Seine ungewöhnlichen bernsteinfarbenen Augen – ja, die hatte er unverkennbar seiner Tochter vererbt. Nie, außer bei ihrer Mutter und jetzt bei Hackenay, hatte Lisbeth Augen von solcher Farbe gesehen.
    Zwar hatten die Jahre Furchen um Mund und Nase in die ansprechenden Züge des Rechenmeisters gegraben, doch das Alter war schonend mit ihm umgegangen. Lisbeth konnte sich gut vorstellen, dass er dereinst in jungen Jahren so manch einem Weibsbild den Kopf verdreht haben mochte.
    »Und wer seid Ihr nun?«, wandte sich der König wieder Lisbeth zu und riss sie aus ihrer Betrachtung.
    »Die Tochter. Lisbeth Ime Hofe. An jenem Abend nach dem Turnier war ich zwar zugegen, doch ich war damals noch ein Kind. Es war meine Mutter, die Euch aufgeholfen hat.«
    »So, die Tochter!«, stellte der Monarch mit einem Nicken fest und musterte sie eingehend. »Ihr steht Eurer Mutter in Liebreiz nicht nach! Bis auf die Augen, bedauerlicherweise …«
    Lisbeth spürte, wie Andreas neben ihr einen winzigen Schritt näher trat und sich straffte.
    Wie beabsichtigt nahm der König ihn zur Kenntnis.
    »Euer Gemahl?«, fragte er und wies mit dem Kinn auf Andreas.
    »Mein Schwager, Euer Majestät.«
    Andreas verbeugte sich abermals.
    Der Rechenmeister neigte sich seinem König zu und flüsterte: »Imhoff. Faktor der Fugger in Köln.«
    Maximilian war angeheitert, doch er war nicht betrunken genug, eine Chance nicht zu erkennen, wenn sie sich ihm bot. Er war nun schon eine geraume Weile in der Stadt, und das Feiern war hier kostspielig. Die Gastwirte bestanden auf Bezahlung.
    Einen Moment bedauerte Maximilian, dass seine Gemahlin Bianca Maria ihn nicht begleitet hatte. Doch sie weilte mit ihrem Hofstaat in Lienz. Andernfalls könnte er sie als Pfand zurücklassen, wie dereinst in Brabant und Worms, wenn er bei seiner Abreise seinen Verbindlichkeiten nicht würde nachkommen können. Doch es war fraglich, ob diese gewieften Stadtväter sich darauf überhaupt einlassen würden …
    Nein, es war gut, dass Bianca ihn nicht begleitet hatte. Sie war so gänzlich uninteressant. Nichts Reizendes war an ihr. Sie war langweilig und unansehnlich. Ganz anders die Herzogin. Der König wandte den Kopf und schenkte der einzigen Dame an seiner Tafel ein vertrauliches Lächeln.
    Vielleicht bot sich hier eine günstige Gelegenheit, seine private Schatulle aufzubessern, dachte Maximilian. Dieser aufgeblasene Wichtigtuer kam ihm gerade recht. »Ah, der Fuggerfaktor!«, sagte er aufgeräumt. »Was hört Ihr aus der goldenen Schreibstube?«
    Ausnahmsweise verbot Andreas sich

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