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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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selbstgefälligen Art war Andreas längst kein so angenehmer Gesellschafter wie Stephan. Stets hatte er an allem etwas auszusetzen, vornehmlich am Betragen seiner angeheirateten Familie. Mit Sicherheit fand er es auch ungebührlich, sie hier anzutreffen.
    Doch zum Glück kam er nicht dazu, sich darüber zu mokieren, denn ein königlicher Bediensteter trat zu ihnen und sprach Lisbeth an: »Seine Majestät wünscht Euch zu sprechen.«
    »Mich?«, fragte Lisbeth verwundert und wandte den Kopf, um sich zu vergewissern, dass er nicht mit jemandem gesprochen hatte, der hinter ihr stand.
    »Ja, Euch!«, bestätigte der Knappe und wandte sich um.
    Lisbeth blieb nichts übrig, als ihm in die Mitte des Raumes zu folgen, zur Tafel des Königs. Andreas ließ sich die Gelegenheit, dem König zu begegnen, natürlich nicht entgehen und trat an ihre Seite, und auch Stephan schloss sich ihnen an, ein belustigtes Grinsen auf den Lippen.
    »Dieses Bier ist vorzüglich! Ganz vorzüglich!«, lobte Maximilian gerade, und der Amtsmeister der Brauer strahlte vor Freude. »Es ist Keutebier«, erklärte er eifrig. »Es kommt ursprünglich aus den Niederlanden und wird aus Hopfen gemacht, mit einer Mischung aus Gerstenmalz, Weizen und Dinkel …«
    Der Brauermeister unterbrach sich und blickte Maximilian fragend an. Seine Erläuterung schien das Interesse des Königs geweckt zu haben. Mit einem kurzen Winken bedeutete Maximilian ihm, fortzufahren.
    »Und überdies ist Hopfen weit billiger als Gruit. Er wird in Kerpen und Düren angebaut, etwa auf halbem Weg nach Aachen. Die Gruit dagegen …«
    »Ja?«
    »Gruit ist ein Gemisch aus verschiedenen Kräutern und besteht im Wesentlichen aus Gagel, Harz, Ingwer, Lorbeer, Kümmel und Anis. Und wie Majestät sicher wissen, liegt das Gruitrecht beim Erzbischof, der es teuer verpachtet, und die Pächter wiederum verkaufen die Gruit teuer …«
    Maximilian unterbrach den Brauer mit einer Handbewegung, bevor dieser sich weiter in Klagen über den Gruitpreis ergehen konnte. Es war immer dasselbe, wenn man mit diesen Bürgern sprach. Kaum lieh man ihnen sein Ohr, hatten sie nichts Besseres zu tun, als zu jammern und sich zu beklagen und ihn schlussendlich um ein Eingreifen zu ihren Gunsten zu bitten. »Warum klagt Ihr über den Gruitpreis, wenn Ihr selbst sagt, dass Hopfen günstiger zu haben ist? Fahrt doch einfach darin fort, dieses Hopfenbier zu brauen. Es ist wirklich wohlmundend«, beschied er dem Zunftmeister und winkte ihn lässig beiseite. Denn hinter dessen breitem Rücken hatte er ein ihm bekanntes Gesicht entdeckt, das ein weit vergnüglicheres Gespräch versprach.
    Der aufmerksame Page stupste Lisbeth an, und sie sank in einen tiefen Knicks, die Herren an ihrer Seite verbeugten sich ehrfürchtig.
    »Ihr seid jünger und hübscher geworden, seit Wir Euch zuletzt sahen – wie stellt Ihr das an?«, sprach der König Lisbeth aufgeräumt an. Das Obergärige hatte seinen Wangen Farbe verliehen, und er dünstete.
    Eine feine Röte stieg auch Lisbeth zu Gesicht, breitete sich über Hals und Dekolleté – und das nun bereits zum dritten Mal an diesem Tag. Sie entsann sich genau des Abends, an dem sie dem König zum ersten Mal begegnet war. Nach seiner Krönung zum deutschen König hatte Maximilian gemeinsam mit seinem Vater, Kaiser Friedrich, Köln besucht. Doch es wäre gänzlich unpassend, den König an ihre erste Begegnung zu erinnern, denn er hatte sich damals in einer höchst prekären und gar nicht souveränen Lage befunden – bäuchlings im Stroh auf dem Marktplatz liegend. Bei einem Turnier, das man zu seinen Ehren auf dem Alter Markt veranstaltet hatte, war er gegen den Willen des Kaisers in die Schranken getreten und von Pfalzgraf Philipp unrühmlich aus dem Sattel gehoben worden. Der Kaiser hatte daraufhin befohlen, ihn in voller Rüstung liegen zu lassen, wo er war.
    Bald zwanzig Jahre musste das nun her sein, rechnete Lisbeth nach. Sie war damals sieben Jahre alt gewesen. »Majestät belieben zu schmeicheln oder mich zu verwechseln«, antwortete sie höflich.
    »Nein, nein!«, beharrte der König lachend. Ihm schien die Erinnerung an jene Episode gar nicht peinlich. »Sie war damals so mitfühlend, mir im Schutz der Dunkelheit aufzuhelfen – und dazu klug genug, es so anzustellen, dass sie dabei nicht den Befehl des Kaisers missachtete!«, erklärte er dem älteren Herrn, der neben ihm stand.
    »Lutz…, Lutzkich…, ah, ja! Lützenkirchen!«
    »Das ist sie nicht!«, sagte der

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