Die Tochter der Seidenweberin
ineinander, ohne dass man daran eine Schmelzstelle hätte erkennen können.
Lisbeth unterdrückte ein Kichern. Heute schien jedermann sie für Stephans Frau zu halten. Angetan strich sie mit dem Finger über das matte Silber. Das kühle Metall wog schwer und bildete einen hübschen Kontrast zu ihrer zart gebräunten Haut.
»Wie zierlich deine Handgelenke sind«, bemerkte Stephan. »Man sieht ihnen die Weberei gar nicht an.«
»Nun lass es mal gut sein mit den Komplimenten!« Lisbeth lachte. »Sonst steigen sie mir am Ende noch zu Kopf.«
»Was soll das gute Stück denn kosten?«, erkundigte sich der vermeintliche Gemahl.
Der Silberschmied nannte einen unanständig überhöhten Preis, Auftakt zu einer zähen Verhandlung. Als sich die Angebote nach langem Feilschen merklich angeglichen hatten, gab der Silberschmied vor, mit sich zu ringen. Nur, wie er betonte, weil er Frau und Kinderschar zu unterhalten hätte, nannte er schließlich einen Preis, der Stephan akzeptabel erschien.
»Einverstanden!«, sagte dieser.
»Aber das ist weit mehr, als der König dir gegeben hat!«, mischte Lisbeth sich ein.
»Sch!«, machte Stephan. »Wir nehmen es!« Er reichte dem Silberschmied die Münze des Königs und legte noch ein paar aus dem eigenen Säckel dazu. »Und jetzt auf zum Tanz am Johannisfeuer!«
Für einen Moment erwachte in Lisbeth das Pflichtbewusstsein. Der Nachmittag war schon recht fortgeschritten, und Mertyn würde vielleicht bald nach Hause kommen. Wie sollte sie ihm ihr Ausbleiben erklären, wenn sie nach ihm heimkäme?
Doch diesmal widersprach sie Stephan nicht. Seit langem hatte sie nicht so viel Freude gehabt wie an diesem Tag. Mochte ihr Gatte sich doch mit seinen kreuzlangweiligen Kollegen vom Wollenamt die Ohren heißreden, dachte sie mutwillig.
Hätte Lisbeth gewusst, wie sehr ihre Gedanken an diesem Abend denen des Königs glichen, es hätte sicherlich zu ihrer Erheiterung beigetragen.
13 . Kapitel
N ach Gottes Ehre der Stadt Freiheit und Ehre zu behaupten; auch das gemeine Beste im echten, alten, wahren, katholischen und apostolischen Glauben in dem Sinne, wie er in dieser Stadt von alters hergebracht und öffentlich geübt wird, ohne Einführung zwiespältiger Neuerungen treulich zu fördern und zu schützen …«, verlas der Ratsmeister den ersten Punkt der Eidesformel.
Angetan mit ihren neuen schwarzen Mänteln, standen die frisch gekürten Ratsherren im Langen Saal im Obergeschoss des Rathauses und folgten ernst seinen Worten. Manche mit unbewegter Miene, denn sie erlebten dies nicht zum ersten Mal, anderen jedoch war die Ergriffenheit deutlich anzusehen.
Von der südlichen Stirnwand blickten streng die hölzernen Figuren der Neun Guten Helden auf die neuen Stadtväter herab, gemahnten sie zu Tugendhaftigkeit und gerechter Führung der Stadt.
»… zum Vierten«, verlas der Ratsmeister, »dass er niemanden zum Rat und zu städtischen Ämtern zulasse um Bitten, Liebe oder Leides, Freund- oder Verwandtschaft noch weniger um Geldes, Gaben und Bestechung willen …«
Ein billiger Anspruch an einen Ratsherrn, doch in diesen Zeiten beileibe keine Selbstverständlichkeit, wie viele Bürger nicht müde wurden zu beklagen. Und es war auch nicht immer nur beim Beklagen geblieben, wie die jüngsten Vorkommnisse bewiesen hatten. Am steinernen Brückchen in der Nähe von Sankt Paulus hatten vier Strolche Bürgermeister Johann van Berchem aufgelauert, ihn überfallen und versucht, ihn zu erstechen. Van Berchem hatte sich jedoch mit seinem Degen derart zur Wehr gesetzt, dass die Angreifer unverrichteter Dinge die Flucht ergriffen hatten.
Einen der Übeltäter, Johann Pfeffer, hatte man gefasst. Doch erst, als er vor dem Schöffengericht in Everingen ein Geständnis ablegte, wurde man der Tragweite dieser Schandtat gewahr. Denn Pfeffer bekannte den perfiden Plan, gemeinsam mit drei anderen Mordgesellen einige der Obersten und Regenten der Stadt, namentlich die Bürgermeister Johann van Berchem und Konrad Schurenfeltz, den Rentmeister Johann von Rheidt und Stimmmeister Gerhard vom Wasserfaß, zu ermorden.
Dieser Anschlag war zum Glück vereitelt und einer der Mordgesellen gefasst worden, doch die drei anderen Übeltäter liefen noch frei herum.
»Dasjenige, das mir vorgelesen wurde und das ich wohl verstanden habe, dem werde ich nachkommen, so wahr mir Gott hilft und sein Heiliges Evangelium«, sprach Mertyn Ime Hofe mit fester Stimme den Eid, der ihn zum Ratsherrn machte. Er für seinen Teil war
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