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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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war?
    Lächelnd lehnte er sich in seinem Sessel zurück. »Was weiter?«
    »Die Seidspinnerinnen müssen ihren gerechten Lohn erhalten. Und es muss untersagt werden, auswärts gezwirnte Seide einzuführen. Am besten, man verbietet es ganz, sie überhaupt zu verkaufen«, sprudelte Lisbeth hervor. »Und jede, die ihre Lehrzeit beendet hat, muss selbstverständlich zum Amt zugelassen werden, wenn sie es will!« Eine aufgeregte Freude trieb sie an. Endlich konnte sie etwas tun! Konnte etwas gegen die Missstände unternehmen, die schon so lange an ihr nagten!
    Abermals nickte Mertyn seine Zustimmung.
    Lisbeth kam gar nicht damit nach, ihre Forderungen zu Papier zu bringen, bevor sie schon die nächsten hervorbrachte. »Auch das Geklüngel mit den Färbern muss aufhören. Manche Seidfärber sind nur noch Handlanger der Seidmacherinnen.« Lisbeth krauste die Stirn. »Eigentlich brauchen die Färber eine eigene neue Ordnung. Ihre Löhne müssen festgeschrieben werden und …«
    Ein Klopfen an der Tür des Kontors unterbrach Lisbeth mitten im Satz. Unwillig hob sie den Kopf, als Maria, eines ihrer Lehrmädchen, den Kopf zur Tür hereinsteckte.
    »Entschuldigt die Störung, Frau Meisterin, da ist Frau Loubach für Euch.«
    Widerstrebend erhob Lisbeth sich und begab sich in ihre eigene kleine Schreibstube. Dass Apolonia heute kommen wollte, um wie gewohnt ihren Lohn einzufordern, hatte sie ganz vergessen. Dabei erwartete sie deren Besuche sonst mit Spannung.
    Seit jenem unerfreulichen Gespräch mit Brigitta van Berchem über die Zulassung von Rita zum Seidamt war Lisbeth nicht wieder zu deren Kränzchen geladen worden. Doch Apolonia, die von ihrer Base Katharina so manches erfuhr, was dort beredet wurde, versäumte es nicht, Lisbeth auf dem Laufenden zu halten. Heute jedoch lauschte Lisbeth nur mit einem Ohr, als Apolonia ihr den neuesten Klatsch unterbreitete.
    »Stellt Euch vor«, sagte die Seidspinnerin, »die alte Mettel ist im Geckenhaus!«
    »Mettel van Hielden?«, fragte Lisbeth abwesend und zählte das Geld ab.
    »Nein, Mettel Elner! Sie ist völlig übergeschnappt. Mitten in der Nacht ist sie laut schreiend, mit wirrem Haar, barfuß und im Hemd auf die Straße gerannt. Sie ließ sich nicht beruhigen und hat wild um sich geschlagen, so dass man schließlich die Stadtwachen rufen musste.«
    »Hm«, brummte Lisbeth zerstreut und reichte Apolonia ihren Lohn, in Gedanken immer noch bei dem Transfixbrief. Hastig verabschiedete sie Apolonia und kehrte in Mertyns Kontor zurück.
    »Wo waren wir?«, fragte sie etwas außer Atem, ließ sich wieder in ihren Stuhl sinken und griff nach der Feder, die noch an derselben Stelle lag, an der sie sie niedergelegt hatte.
    »Die Färber«, erinnerte Mertyn.
    »Die Färber. Sie müssen eigenständig sein. Den Seidmacherinnen muss es verboten werden, die Färbereien zu besitzen. Vielleicht sollte man die Seidfärber überhaupt in die Seidmacherzunft aufnehmen …«
    Lisbeth unterbrach sich mitten im Satz. All das hier war nur von Nutzen, wenn man zugleich streng darauf achtete, dass die neuen Gesetze auch eingehalten wurden. Das wurde Lisbeth schlagartig klar.
    »Die Webereien müssen kontrolliert werden, und böswillige Übertretungen der Amtsverordnungen sollten mit Verlust der Amtszugehörigkeit bestraft werden. Besser noch: mit dem Verlust der Bürgerrechte!«, sagte sie streng. »Mal sehen, ob das die Damen endlich auf den Pfad der Tugend zurückführt.«
    Mertyn musste über das grimmige Gesicht, das ihre Worte begleitete, lächeln, doch in der Sache stimmte er mit ihr überein.
    Punkt für Punkt fuhr Lisbeth darin fort, ihre Verbesserungsvorschläge zu notieren, und mit wachsendem Staunen lauschte Mertyn ihren Ausführungen. Nur ab und an unterbrach er sie, wenn sich ihm der Sinn einer ihrer Anordnungen nicht sogleich erschloss.
    Immer länger wurde die Liste, und Lisbeth nahm ein weiteres Blatt Papier zur Hand.
    Das Licht, das durch die Fenster in das Kontor fiel, wich allmählich der Dämmerung. Mertyn entzündete eine Öllampe auf dem Arbeitstisch, dann erhob er sich, um das Feuer im Kamin anzufachen.
    Flackernd warfen die Flammen ihren roten Lichtschein auf Lisbeths Gesicht. Noch nie hatte Mertyn seine Frau in solch begeisterter Konzentration erlebt. Ihre Augen funkelten dunkel, die Spitze ihrer Zunge hatte sie zwischen die Schneidezähne geklemmt.
    Mertyns Gedanken schweiften ab, vermochten nicht länger Lisbeths Ausführungen zu folgen, und er spürte, wie ihm der Mund

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