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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Gemahl es in diesem Jahr vorgezogen, in Köln zu bleiben. Er würde statt nach Frankfurt später im September zum Bamasmarkt nach Antwerpen reisen.
    Nachdem Lisbeth sich mit einem reichhaltigen Morgenmahl für den Tag gewappnet hatte, trat sie in den Hof des Steinernen Hauses, wo Mertyns Knecht Mathias mit den anderen Reiseknechten beisammensaß und sie sich die Zeit mit Würfeln vertrieben, bis die Herrschaften ihrer bedurften.
    Mathias war ein kräftiger Kerl mit hellem Blondschopf und gutmütig blickenden Augen. Er hatte Lisbeths Waren zu Schiff begleitet und war gleichfalls am vergangenen Tag angekommen. Ein paar Mal war er schon mit Mertyn und Lisbeth nach Frankfurt und Antwerpen gereist, und obwohl noch jung an Jahren, war er erfahren genug, auch ohne Lisbeths Anweisungen zu wissen, welche Aufgaben und Pflichten seiner in Frankfurt harrten. Und so hatte er in weiser Voraussicht einen der jungen Burschen zu seiner Hilfe angeworben, die sich wie jeden Morgen vor den Türen der Herbergen drängten, in der Hoffnung, sich für ein paar Stunden oder Tage verdingen zu können.
    Gemeinsam mit Mathias und Thomas, wie der junge Bursche hieß, stieg Lisbeth in den Keller des Steinernen Hauses hinab, wo Mathias im vergangenen Frühjahr nach Ende der Fastenmesse das Bauholz für ihren Stand eingelagert hatte. Kurz überprüfte der Knecht die Bretter und Holme. Das Holz war trocken geblieben, und alles schien so beisammen zu sein, wie er es im Frühjahr hinterlassen hatte. Anstellig luden er und Thomas sich das Bauholz auf die Schultern, schleppten es die schmale Kellerstiege hinauf, verluden es auf einen Handkarren und schickten sich an, es in die Römerhallen zu schaffen.
    Auch Lisbeth machte sich auf den Weg. Als sie auf die Gasse trat, schlug ihr der Lärm von Hämmern und Sägen entgegen. Harziger Duft von frisch geschlagenem Holz erfüllte die Luft. Auf dem Rossmarkt zäunte man Pferche ab für Kühe und Pferde. Und nicht nur in der Neuen Kräme, wo man Geschirr, Gläser und Haushaltwaren anbieten würde, und auf den gewohnten Handelsplätzen, dem Römerberg zwischen Dom und Rathaus, dem Liebfrauenberg, dem Heumarkt und am Mainufer waren Handwerker und Händler zugange, Buden und Stände zu errichten, sondern mittlerweile auch in den Gassen rund um den Römer. Die Messe wurde von Jahr zu Jahr größer, schien es Lisbeth.
    Städtische Bedienstete wiesen den Händlern ihre Plätze an und achteten lautstark darauf, dass jeder seinen Stand auf der ihm zugewiesenen Stelle errichtete, und nicht zwei Schritt rechts oder links davon. Streng riefen sie ihre Befehle und disputierten mit wachsendem Unmut mit so manch einem, der sich ungerecht behandelt fühlte und sich einen Stand wünschte, der weiter vorn oder hinten, näher zum Dom oder weiter von diesem entfernt war.
    Man sputete sich, denn die Geleitwoche ging ihrem Ende zu. Morgen bereits begann die Geschäftswoche. Bis morgen mussten die Stände stehen und all die Waren ausgepackt und zum Verkauf gerichtet sein, ansprechend und wohlgeordnet, damit sie in den Augen der Käufer Begehrlichkeit weckten. Morgen würde hier ein Betrieb ganz anderer Art herrschen. Scharen von Käufern würden sich zwischen den Ständen drängen und die Waren begutachten, prüfen, verwerfen, feilschen und kaufen.
    Auch kölnische Handwerker böten stolz die Erzeugnisse ihres Fleißes an, doch nicht minder wichtig wäre es für sie, sich hier mit den Rohmaterialien einzudecken, die sie für die kommenden Monate benötigten, um ihre Gewerke auszuüben: die Kerzenzieher mit Wachs und Talg, die Hutmacher mit böhmischer Hutwolle, die Weber mit Garn, Wolle und Flachs.
    Die Färber erstünden Färberdistel und Krapp aus Speyer oder Worms und natürlich thüringischen Waid, da ihnen beileibe nicht ausreichte, was davon am Niederrhein wuchs. Die Kürschner kauften Buntwerk aus dem Osten, vornehmlich von den Nürnbergern, die Pulvermacher Salpeter, die Riemenschneider, Schuster und Sattler ihr Leder, die Drucker und Verleger packenweise gutes Druck- und Schreibpapier.
    Die kölnischen Fernhändler reisten an mit Zinn aus Böhmen und Sachsen, mit Ochsenhäuten aus Ungarn, Stahl aus dem Siegerland und Kupfer von Leipziger Firmen. Im Gegenzug würden sie Frankfurter Bord erstehen, das begehrte Bauholz vom Oberen Main, dazu Samen, Getreide und Wein aus Franken und aus der nahen Rhein- und Nahegegend, italienische Rohseide, Reis und andere Erzeugnisse, die ihre Oberdeutschen Kollegen aus den Ländern am

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