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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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wird mit Garn umwickelt und dann in ein Schiffchen gelegt, damit es sich beim Weben gleichmäßig abwickelt und leicht durch die Kettfäden gleitet. Siehst du diese Garnstränge dort?« Lisbeth wies auf eines der Bündel im Regal.
    Sophie nickte. »Das Garn soll ich auf die Spulen wickeln?«
    »Du hast es erfasst!«, lobte Lisbeth und half ihrer Nichte, das Schussgarn vom Regal herabzuheben.
    Die Tür zur Werkstatt öffnete sich, und begleitet von einem Schwall kalter Luft, trat Mertyn herein.
    »Was gibt es?«, fragte Lisbeth überrascht. Es war ungewöhnlich, dass ihr Gemahl sie in der Werkstatt aufsuchte.
    »Man hat sie gefasst.« Die Erleichterung stand Mertyn deutlich ins Gesicht geschrieben.
    »Wen gefasst?« Lisbeth verstand nicht sogleich, wovon er sprach.
    »Die Brandstifter. Es waren die gleichen Mordgesellen, die vor zwei Jahren Bürgermeister van Berchem angegriffen haben. Man hat sie endlich gefasst! Stell dir vor: Sie haben gestanden, von Bernd von Mainz, einem Untergebenen des Erzbischofs in Poppelsdorf, gedungen worden zu sein, der sich dafür hat rächen wollen, dass ihm der Kölner Rat ein Geleitgesuch abgeschlagen hat.
    Tausend Gulden hatte er ihnen geboten, damit sie Berchem, Schurenfeltz, von Rheidt und vom Wasserfaß ermorden. Und als alle Versuche fehlschlugen, hat er ihnen die gleiche Summe geboten, wenn sie an verschiedenen Stellen in der Stadt Feuer legen. Einen von ihnen, Johann Pfeffer, hat man damals ja schon erwischt, doch jetzt sind endlich auch die anderen drei ins Netz gegangen.«
    Lisbeth nickte. Nur schlecht gelang es ihr, ein spöttisches Grinsen zu unterdrücken.
    »Ich wollte, dass du sogleich davon erfährst«, fügte Mertyn hölzern hinzu und verließ ohne ein weiteres Wort die Werkstatt.
    Lisbeth wandte sich wieder ihrer Nichte zu, um zu sehen, wie das Kind mit seiner Aufgabe zurechtkam.
    Sophie hatte bereits eine Spule gefüllt, doch natürlich sah man dem Ballen noch nicht an, dass er kleiner geworden war. »Das ist aber eine langweilige Aufgabe, Tante Lisbeth«, maulte sie. »Wann gehen wir denn wieder zu den Färbern?«

16 .  Kapitel
    E s war heiß auf der Frankfurter Straße. Wie matte Perlen, aufgezogen auf eine ausgeblichene Schnur, wälzten sich gemächlichen Schrittes die nicht enden wollenden Pferdefuhrwerke, Ochsengespanne und Maultierkarren des kölnischen Geleitzuges südostwärts. Der Staub, von Zugtieren und Rädern aufgewühlt, hing einer schmutzigen Fahne gleich über dem grau-goldenen Band des ausgefahrenen Weges. Er kroch unter Lisbeths Reisemantel, klebte ihr auf der schweißnassen Haut und knirschte ihr unangenehm zwischen den Zähnen.
    Wenigstens ein Gutes hatte die Staubwolke, dachte Lisbeth ergeben: Sie milderte das gleißende Licht der Augustsonne, die erbarmungslos auf die Reisenden niederbrannte. Das waren eben die Unannehmlichkeiten der Reise, die es des Profits willen in Kauf zu nehmen galt. Denn nirgendwo – außer vielleicht in Antwerpen oder Bergen-op-Zoom – konnte man seine Waren so gewinnbringend veräußern wie in Frankfurt, das nicht nur aufgrund seiner Lage am Kreuzungspunkt wichtiger Handelsstraßen, und überdies auf dem Wasserwege erreichbar, zum ersten Handelsplatz des Reiches avanciert war.
    Freilich nur für die kurze Zeit der Fasten- und Herbstmesse. Während dieser Zeit schien Frankfurt den Kölnischen wenn schon nicht das Herz, dann doch zumindest der Geldsäckel der Welt zu sein. Denn hier trafen die niederdeutschen Kaufleute, hinter denen der Handel mit Russland, Skandinavien und England stand, auf ihre Oberdeutschen Kollegen, deren Handelsbeziehungen sich nach Schlesien, Polen, Ungarn, Frankreich, Italien und Spanien spannten.
    Als freie Reichsstadt nur dem König untertan und daher nicht der Willkür sich abwechselnder Stadtherren ausgesetzt, betrieb Frankfurt eine kluge Handelspolitik: Es beharrte nicht auf einem Stapelrecht, hielt die Abgaben niedrig und gewährte den Gästen Handelsfreiheit. Sie konnten untereinander Handel treiben, ohne dass die Geschäfte über Frankfurter Mittelsmänner abgewickelt werden mussten, wie es in Köln geboten war.
    Damit entging dem Frankfurter Stadtsäckel zwar ein hübsches Sümmchen Geldes, doch die Rechnung der Stadtväter ging auf: Zum einen füllte das Geleit als bezahlter Schutz die Kassen, und zum andern überstiegen der Gewinn und der Wohlstand, den die Messe ihren Händlern und der ganzen Stadt brachte, diesen kleinen Mangel bei weitem. Und so übte die Frankfurter Messe auf

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