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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Faktoren der großen Gesellschaften erlassen, dass sie das Bürgerrecht erwerben und sich in die Gaffeln einschreiben lassen müssen. Unter Eide sollen sie nur eigenes Gut verkaufen und keines, das fremden Gesellschaften gehört.«
    »Vermaledeiter Mist!«, fluchte Stephan. »Wenn das wahr wäre, bedeutete es das Ende für den Handel der Oberdeutschen in Köln.«
    Hans presste die Lippen zusammen und nickte. »Nur dreimal zwei Wochen im Jahr dürfen sich fremde Faktoren künftig in der Stadt aufhalten. Bei Verlust ihres Bürgerrechtes wird den Bürgern verboten, einer Übertretung dieser Gebote Vorschub zu leisten«, fuhr er fort.
    »Aber warum das? Die Faktoren sind doch alle angesehene Herrschaften, die tun doch niemandem etwas«, warf Lisbeth ein.
    »Es geht weniger darum, was sie tun, als was sie unterlassen«, entgegnete Stephan sarkastisch. »Ich kann mir nur zu gut denken, was der Grund dafür ist.«
    Hans nickte abermals und legte die Fingerspitzen bedächtig aneinander.
    »Und was?«, fragte der junge Neffe aus Nürnberg mit heller Stimme, froh, dass sich die allgemeine Aufmerksamkeit endlich anderen Dingen zuwandte.
    »Den Kölnischen ist es lang schon ein Dorn im Auge, dass unsere Faktoren in Köln untereinander Handel treiben«, erklärte sein Vater, selbst Teilhaber der Nürnberger Gesellschaft Hans Imhoff und Gebrüder.
    »Wenn sie etwas dagegen haben, warum verbieten sie es dann nicht einfach?«, wollte der Junge wissen. »Dafür müssen sie die Faktoren doch nicht der Stadt verweisen.«
    Stephan lachte trocken. »Es ist verboten! Aber die hohen Herren des Rates können kaum etwas dagegen unternehmen, wenn sich ein Augsburger und ein Nürnberger bei einem Glas Wein zusammensetzen und ein Geschäft abschließen.«
    Die Herren lachten, doch Hans Her hatte ein Einsehen mit dem Knaben. »Am besten, ich gebe dir ein Beispiel: Der Faktor der Ravensburger Handelsgesellschaft in Köln …«, hob er an.
    »Stephan Ime Hofe?«, unterbrach ihn der Junge.
    »Frau Lützenkirchen«, stellte sein Vater richtig. »Ime Hofe führt ihr die Geschäfte.«
    Lisbeth sah das feine Zucken um Stephans Mundwinkel, doch Hans schien es nicht bemerkt zu haben. »Stell dir also vor, der Faktor der Ravensburger in Köln hat Wolltuch in England gekauft«, fuhr er fort. »Und der Faktor der Welser in Köln erwartet eine Lieferung Rohseide aus Venedig. Wenn nun der Ravensburger dem Welser die Wolle und der Welser dem Ravensburger die Seide verkaufen will, müsste eigentlich Folgendes geschehen: Der Ravensburger müsste seine Wolle an einen kölnischen Kaufmann verkaufen. Davon erhält die Stadt eine Akzise. Dann müsste der kölnische Kaufmann die Wolle dem Faktor der Welser verkaufen. Wieder erhält die Stadt ihren Anteil. Und genauso ist mit der venezianischen Seide zu verfahren. Alles in allem verdient die Stadt Köln an diesem einzigen Handel vier Mal.
    Was aber geschieht nun wirklich zwischen dem Welser und dem Ravensburger Faktor?« Fragend blickte Hans den Knaben an, doch der blieb ihm die Antwort schuldig. »Ganz einfach«, gab er schließlich selbst die Antwort. »Die beiden handeln die Preise für die Waren aus, verrechnen die Summen miteinander und stellen fest, dass der eine noch etwas vom andern zu bekommen hat, weil die Seide vielleicht wertvoller ist als die Wolle. Die Differenz gleichen die Zentralen in Augsburg und Ravensburg direkt miteinander aus. In Köln aber fließt kein Geld, die Stadt erhält nicht einen Heller. Und das gefällt den Stadtvätern ganz und gar nicht.«
    Verstehen breitete sich über das Gesicht des Jungen. »Der Rat lässt den fremden Faktoren zwar die Wahl, das kölnische Bürgerrecht zu erwerben, aber dann dürfen sie, wie die anderen kölnischen Kaufleute auch, nur noch mit eigenen Waren handeln und nicht mehr mit denen der Gesellschaften. Sie dürfen nicht mehr als Faktoren fungieren, ist das richtig?«
    »Ganz richtig, mein Junge!« Sein Vater zauste ihm wohlwollend den Blondschopf. »Bist doch ein heller Kopf. Nur das mit dem Saufen müssen wir noch üben.«
    »Das können die Kölnischen mit uns doch nicht machen! Was glauben sie, mit wem sie es zu tun haben?«, entrüstete sich Andreas. Vielleicht hatte auch er erst der Erläuterungen seines Schwagers bedurft, um zu verstehen, welche Folgen der Erlass des Kölner Rates auch für seine eigenen Geschäfte hätte, dachte Lisbeth nicht ohne Bosheit.
    »Du siehst doch, dass wir es können«, widersprach Stephan Andreas barsch. Für ihn selbst

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