Die Tochter der Seidenweberin
hast du fast alle beisammen, die im Handel etwas gelten. Der Mann neben ihm ist sein Schwager Konrad Vöhlin aus Memmingen, das ist Hans Imhoff aus Nürnberg.« Hans wies auf einen Herrn, dessen Züge unverkennbar den Verwandten von Andreas ähnelten, die mit ihnen am Tisch saßen. »Das dort sind Georg und Ambrosius Höchstetter, der dort ist ein Vertreter der Fugger, die beiden daneben kenne ich nicht, aber ich schätze, dass es Augsburger sind«, erklärte Hans, »vielleicht Rehlinger und Herewart, und der ganz rechts ist Jos Humpis, der Regierer der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft.«
Anerkennend pfiff Stephan durch die Zähne. »Na, denen wird sicher etwas einfallen. Sie sehen nicht so aus, als würden sie sich den Handel mit Köln einfach so wegnehmen lassen.« Er schenkte Lisbeth, Hans und sich selbst von dem Rotwein in die Becher. »Trinken wir darauf, dass es ihnen gelingt, Mertyns Ratskollegen umzustimmen.«
Diese Meinung schienen die anderen Gäste im Hof des Lämmchens zu teilen, und so wandte man sich alsbald wieder erquicklicheren Themen zu, vornehmlich den guten Geschäften der vergangenen Tage, und erfreute sich daran. Musikanten spielten auf, die Schankmägde schleppten weitere Krüge aus dem Gasthaus, und die Gruppe der gesetzten Herren in dunklen Schauben löste sich auf. Bald schon war die Anspannung heiterer Ausgelassenheit gewichen.
Durstig hatte Lisbeth ihren Becher geleert, und aufmerksam füllte Stephan ihn erneut. »Bei deinem Durst würdest du ohne Schwierigkeiten in die Nürnberger Kaufmannschaft aufgenommen«, neckte er.
»Das ist immer noch der Staub der Frankfurter Straße.« Lisbeth fiel in das Gelächter der Nürnberger mit ein. Der vollmundige Wein ließ ihr das Blut warm durch die Adern fließen, und eine unbeschwerte Heiterkeit ergriff sie.
Stephan, Hans und die Imhoffs wechselten sich darin ab, amüsante Erlebnisse ihrer Handelsreisen zum Besten zu geben, und mehrfach wandten sich andere Gäste ihnen zu, um zu sehen, woher das ausgelassene Lachen rührte. Natürlich von den Kölnischen, wird sich so manch einer gedacht haben.
Noch zweimal stieg Stephan in das Gewölbe des Lämmchens hinab, um den Weinkrug zu füllen, und allmählich kroch die Dämmerung aus den Ecken hervor. Das Handeln war eine anstrengende Sache, und der nächste Tag würde wieder des ganzen Mannes und der ganzen Frau bedürfen, und so begann sich der Hof allmählich zu leeren.
Auch Hans Her erhob sich. »Lisbeth?«, fragte er, denn wie sie logierte er im Steinernen Haus, und sie hatten denselben Heimweg.
Enttäuscht blickte Lisbeth zu ihrem Schwager auf. Über Reden und Lachen war die Zeit viel zu schnell vergangen. Es war ein schöner Abend gewesen. Mit Stephan konnte man wirklich Spaß haben, und sogar ihr zurückhaltender Schwager Hans hatte sich der Fröhlichkeit des Abends nicht verschließen können und war ihr aufgeräumter vorgekommen als gewohnt. Seit langem hatte Lisbeth keinen so vergnüglichen Abend mehr verbracht, und obwohl es auch für sie ein anstrengender Handelstag gewesen war, verspürte sie noch keine Müdigkeit.
Stephan bemerkte ihr Zögern. »Der Abend ist zu schade, um ihn zu verschlafen«, sagte er und sprach ihr damit aus der Seele.
Lisbeth wusste, morgen läge noch ein arbeitsreicher Tag vor ihr, doch der starke Wein hatte sie mutwillig gemacht. »Ich würde gerne noch ein wenig hierbleiben«, sagte sie.
»Ich geleite dich später heim«, erbot Stephan sich sogleich.
Für einen winzigen Augenblick zog Hans die Augenbrauen missbilligend zusammen, doch wenn er ihr Verhalten nicht schicklich fand, so sagte er es nicht. Er empfahl sich mit knappem Gruß, und kurz darauf verabschiedeten sich auch die Nürnberger.
Lisbeth blieb mit Stephan am Tisch sitzen, und für einen Augenblick erschien es ihr nun doch ein wenig seltsam, allein mit einem Mann, der nicht ihr Gemahl war, im Garten eines Wirtshauses zu sitzen. Unschicklich war es allemal. Doch zum Teufel mit der Schicklichkeit! Stephan war ihr Schwager. Es musste doch gestattet sein, mit seinem Schwager einen Becher Wein zu trinken. Und außerdem war Messe! Da war eben vieles anders!
»Und, hast du deine Stoffe an den Mann gebracht?«, fragte Stephan, während er den letzten Schluck Wein in Lisbeths Becher schenkte.
»Ja, bis auf wenige Ballen ist alles fort. Grün schien in diesem Jahr nicht so beliebt zu sein. Etwas resedafarbener Sindel ist noch übrig und ein wunderschöner dunkelgrüner Taft, was ich nun ganz und
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