Die Tochter der Seidenweberin
Werkstatt gewöhnt, ja, sie bemerkte ihn nicht einmal mehr.
Kurz schöpfte sie Luft, dann legte sie ein paar Buchenscheite nach, um den Ofen anzufeuern. Als die Flammen unter dem Kessel zu ihrer Zufriedenheit loderten, wischte sie die Hände an der großen Lederschürze sauber, die sie zum Schutz vor ihr Arbeitskleid gebunden hatte. Sie verließ die Werkstatt, überquerte den Hof und machte sich auf die Suche nach Meister Quettinck, damit er ihr das Curcumay abmaß. Denn während die billigeren Mittel, die zum Färben der Seide Verwendung fanden, wie beispielsweise Waid, auf Regalen und in Säcken und Körben entlang der Wände der Werkstatt gestapelt waren, verwahrte der Meister die kostbaren Farbstoffe unter Verschluss.
»Ah, Sophie!«, grüßte Quettinck das Mädchen mit einem Lächeln. Er hatte nichts dagegen gehabt, Sophie in seiner Werkstatt helfen zu lassen, wenn auch ausschließlich seiner besten Kundin zu Gefallen. Denn welch eine Hilfe konnte ihm so ein junges Ding schon sein? Das Färberhandwerk war eine schwere Sache, da bedurfte es der Kraft eines Burschen.
Man war übereingekommen, dass Sophie des Montags und des Mittwochs in seine Werkstatt kam. So konnte sie einigermaßen sichergehen, die Farbflecken wieder von den Fingern geputzt zu bekommen, bevor sie am Sonntag den Eltern in der Wolkenburg ihren allwöchentlichen Besuch abstattete.
Doch mit der Zeit hatte Quettinck seine neue Hilfskraft, die er weder zu entlohnen noch zu verköstigen brauchte, zu schätzen gelernt. Denn Sophie hatte nicht nur bewiesen, dass sie zupacken konnte, sondern sich auch als sehr gelehrig gezeigt, und so hatte der alte Färber inzwischen seine rechte Freude an dem wissbegierigen Mädchen.
»Sächsischgrün also«, murmelte Quettinck. »Hast du den Bottich gut mit Wasser gefüllt?«
Sophie nickte. »Steht schon auf dem Stochofen.«
»Wasser aus dem Pütz?«, hakte der Färber nach.
Abermals nickte Sophie. Das Wasser aus dem Bach war für das Färben nicht zu gebrauchen, wollte man eine klare und saubere Färbung erzielen. Denn bis es auf seinem Weg von Hürth herunter zu ihnen kam, hatten schon zu viele Gerber, Wäscher und andere Färber ihr Abwasser in den Duffesbach geschüttet. Manch andere Färber scherte das zwar nicht, doch Quettinck achtete sehr genau darauf. Nicht ohne Grund war er für die Brillanz seiner Färbungen bekannt.
Quettinck nahm ein Glasgefäß zur Hand, maß sorgfältig eine Menge des dunkelgelben, bröckeligen Pulvers daraus ab und häufte es in eine kleine hölzerne Schale. »Zwei Lot zerstoßenes Curcumay auf ein Pfund Seide«, erklärte er. »Damit es ein starkes gelbes Bad gibt.« Er verschloss das Glas wieder, stellte es in seinen Schrank und reichte Sophie die Schale, bevor er nach einer schlanken verkorkten Flasche griff. »Rühr das Curcumay ins Wasser und hol mich, wenn es kocht! Ich mische dann die Indigotinktur hinzu.«
Die Schale sorgsam mit der freien Hand abdeckend, kehrte Sophie in die Werkstatt zurück, stellte sie neben dem Stochofen ab und griff nach einem der Stecken, die an der Wand lehnten. Mit der Hand fuhr sie über das Holz, das die vielen Farben mit der Zeit hatten dunkel werden lassen, und betrachtete dann aufmerksam ihre Handflächen, um genau zu prüfen, ob der Stecken nach dem letzten Gebrauch ordentlich gereinigt worden war – ganz so, wie Jacobus, der Geselle von Meister Quettinck, es ihr eingeschärft hatte. Doch ihre Handflächen blieben sauber. Es hafteten keine Farbreste vom vorhergehenden Farbbad mehr an dem Stecken.
Sophie trat an den Stochofen heran und schüttete das Curcumay in den Bottich. Mit beiden Händen packte sie den Stecken und rührte, bis sich das klare Brunnenwasser in eine dunkelgelbe Brühe verwandelt hatte.
Es dauerte, bis das Wasser anfing zu kochen. Gelegentlich rührte Sophie das Farbbad um, und als das Wasser im Bottich anfing zu sieden, trat Meister Quettinck zu ihr. Mit einer Bewegung, der man die Erfahrung von Jahren anmerkte, schüttete er aus der schlanken Flasche gerade so viel Indigotinktur in den Bottich, dass sich das satte Gelb darin in frisches Grün verwandelte.
Sophie rührte kräftig um, bis das Farbbad ohne Schlieren war. Kritisch betrachtete der Meister die Farbe, runzelte die Stirn, dann fügte er noch wenige Tropfen hinzu. Abermals rührte Sophie, und Quettinck nickte zufrieden. Zum Schluss fügte er Zinnsolution hinzu, nicht ohne Sophie zu erklären: »Zwei Lot auf das Pfund, merke es dir!«
Sophie nickte. Sie
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