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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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wussten beide, dass das eine glatte Lüge war, und Brigitta bedachte Lisbeth mit einem maliziösen Lächeln. »Seit die Elnersche verstorben ist, scheint sie sehr begehrt zu sein!«
    Lass dich von ihr nicht einschüchtern, ermahnte Lisbeth sich. »Und was habt Ihr hier zu suchen?«, gab sie mit gleicher Münze zurück, bemüht, ihre Stimme beherzter klingen zu lassen, als sie empfand.
    »Das Gleiche wie Ihr«, antwortete Brigitta leichthin. »Ich wollte ihr Arbeit geben.«
    Brigitta trat an den Tisch und stupste Grete mit der Hand an. Gretes schwerer Körper verlor den Halt auf dem Stuhl und krachte, einem gefrorenen Sack gleich, zu Boden. Lisbeth und Berta zuckten ob dieser Pietätlosigkeit erschreckt zusammen, doch Brigitta quittierte es mit einem kalten Schnauben. »Aber das hat sich wohl erledigt«, sagte sie.
    Berta, die dem Wortwechsel mit wachsendem Unbehagen gefolgt war, warf ein: »Ich glaube, sie haben sich totgefressen.«
    »Bestimmt haben sie das!«, bestätigte Brigitta. Lisbeth konnte ihrem Tonfall nicht anhören, ob sie das tatsächlich glaubte oder ob ihre Worte ironisch gemeint waren.
    Brigitta trat ganz dicht an Lisbeth heran und zischte so leise, dass nur diese ihre Worte vernehmen konnte: »Wie ich höre, habt Ihr eine Rechnung mit der Elnerschen zu begleichen? Das wird die Büttel sicher auch interessieren!«
    Lisbeth erbleichte angesichts der Drohung, die in Brigittas Worten schwang, und sie spürte, wie eine eisige Kälte in ihr aufstieg. Brigitta beabsichtigte, ihr Gretes und Mettels Tod anzulasten!
    Wenn Brigitta, die Nichte des Johann van Berchem, sie des Mordes bezichtigte, ja, wenn sie nur vorsichtig den Verdacht äußerte, Lisbeth könne etwas mit dem abrupten Ableben der Elners zu tun haben, würde der Rat nicht lange fackeln und sie befragen – gleich, ob sie selbst die Gemahlin eines ehemaligen Ratsherrn war oder nicht. Und wie eine solche Befragung aussah, das mochte Lisbeth sich gar nicht ausmalen.
    So also hatte Brigitta es sich ausgerechnet, dachte Lisbeth, und ihr schwindelte ob der Bosheit dieses Plans. Auf so eine Gemeinheit musste man erst einmal kommen. Sie hatte Brigitta wieder unterschätzt. Vor Schreck stand sie wie gelähmt da und starrte die ältere Seidmacherin an. Doch eines verstand sie ganz und gar nicht: Warum wollte Brigitta dann nicht, dass man die Büttel rief?
    Noch ehe Lisbeth zu einer Erwiderung fähig war, tat Brigitta etwas gänzlich Unerwartetes: Sie trat wieder zum Tisch, streckte die Hand aus und rupfte ein Stück Fleisch vom Braten.
    Lisbeth fand ihre Sprache wieder. »Nicht!«, rief sie. »Vielleicht ist es vergiftet!«
    Mit lässiger Langsamkeit wandte Brigitta ihr den Kopf zu und maß sie mit einem höhnischen Grinsen. Dann steckte sie das Stück Braten in den Mund.
    Brigitta kaute ausgiebig. »Gut!«, lobte sie. »Doch beileibe nicht so gut, als dass man sich daran überfressen müsste. Für meinen Geschmack fehlt ein wenig Schärfe.«
    Dann wurde ihr Tonfall geschäftig. »Ich glaube, der selige Johann, der Mann der alten Elner, hatte noch einen Vetter in der Stadt. Ich werde ihm Bescheid geben – soll er sich um die Bestattung kümmern«, verkündete sie abschließend, schritt zur Tür und hielt diese offen als Aufforderung für Berta und Lisbeth, mit ihr das Haus zu verlassen.
    Wie betäubt machte Lisbeth sich auf den Heimweg. Der Braten war also nicht vergiftet gewesen, schloss sie. Und Brigitta hatte darum gewusst, sonst hätte sie nie gewagt, davon zu kosten. Trotzdem hatte sie mit allen Mitteln versucht zu verhindern, dass man die Büttel rief. Ihr musste so sehr daran gelegen sein, dass man Gretes und Mettels Tod nicht weiter verfolgte, dass sie sich sogar die Gelegenheit entgehen ließ, sie, Lisbeth, in eine höchst unangenehme, wenn nicht gar gefährliche Lage zu bringen.
    Lisbeth konnte sich zwar keinen Reim darauf machen, warum Brigitta es getan und, vor allem, wie sie es angestellt hatte, doch sie wurde trotzdem das Gefühl nicht los, dass sie es gewesen war, die am Martinstage mit Grete Elner abgerechnet hatte.

20 .  Kapitel
    E s war kalt in der Werkstatt Onder Blauverfer, doch Sophie spürte die Kälte nicht. Keuchend schüttete sie den letzten Eimer Wasser, den sie vom Pütz im Hof hereingeschleppt hatte, in den Bottich über dem Stochofen und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Ihr Atem stieg in kleinen Wölkchen auf und mischte sich mit den beißenden Dämpfen aus den Kesseln. Längst hatte Sophie sich an den Geruch in der

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