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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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mit Mertyn und Lisbeth in die Wolkenburg zu fahren, verspürte Lisbeth großes Mitleid mit dem Mädchen. Es schien völlig in sich zusammengesunken zu sein. Ergeben hielt Sophie den Kopf auf die Brust gesenkt, ein weißer Schleier verbarg Gesicht und Haar, und ihre Hände hatte sie in die langen Ärmel geschoben, als friere sie. Wahrscheinlich, so dachte Lisbeth, hatte sie inzwischen eingesehen, dass sie nichts gegen die väterliche Entscheidung würde ausrichten können, und sich in ihr Schicksal gefügt.
    Der große Saal im Obergeschoss der Wolkenburg war mit Dutzenden von Kerzen festlich erleuchtet, als Lisbeth mit Mertyn und Sophie eintrat. Im Kamin flackerte ein freundliches Feuer, und die Tafel war mit feinem Geschirr, kostbaren Gläsern und Zinnbechern eingedeckt.
    In der Nähe des Kamins standen Andreas Imhoff und Sophies Mutter mit ihren Gästen, einem Paar in mittleren Jahren – augenscheinlich den Eltern des künftigen Bräutigams – und einem Herrn und waren ins Gespräch vertieft.
    Dem ersten Anschein nach zu urteilen, machten die Besucher einen passablen Eindruck, dachte Lisbeth, und ihrer Kleidung konnte man den Wohlstand der Familie deutlich ansehen. Die Mutter des Bräutigams war klein und rundlich und schien ein fröhliches Naturell zu besitzen, denn eben lachte sie ein wenig zu laut über etwas, was ihr Gemahl gesagt hatte. Ihr Kleid war aus tiefblauem Samt, hatte geschlitzte Ärmel, die die hellblaue Seide des Unterkleides hervorscheinen ließen, und war aufwendig bestickt.
    Ihr Gemahl überragte seine Frau um mehr als zwei Haupteslängen, und auch er schien leiblichen Genüssen zugetan, denn er war von beachtlichem Leibesumfang. Sein helles Haar, das bereits von silbernen Fäden durchzogen war, war sorgfältig gestutzt, und Lisbeth hatte das Gefühl, ihm bereits begegnet zu sein.
    Der Herr, der ein wenig steifbeinig bei ihnen stand, war genauso hochgewachsen, doch weit schlanker als sein Vater. Sein blondes Haar fiel in Wellen auf seine Schultern. Er trug dunkle Hosen, die am Knie gebunden waren, und ein seidenes Wams. Sein Gesicht konnte Lisbeth nicht erkennen, denn er wandte den Eintretenden den Rücken zu. Doch immerhin war er nicht verwachsen und wirkte nicht alt und gebrechlich, wie Lisbeth befürchtet hatte.
    »Ah, da kommt ja meine Tochter!«, rief der Hausherr aufgeräumt, als er ihres Eintretens gewahr wurde, und kam ihnen entgegen, um sie zu begrüßen.
    Die Gäste wandten sich ihnen zu, und mit Erleichterung stellte Lisbeth fest, dass der Bräutigam tatsächlich jung und auch nicht im Gesicht entstellt war. Im Gegenteil. Auf den ersten Blick erschien er von sehr ansprechendem Äußern. Sophie konnte sich wirklich glücklich schätzen, einen solchen Bräutigam zu bekommen.
    Doch Sophie schien davon weit entfernt. Ihr entfuhr ein Laut des Entsetzens, als sie ihren künftigen Gemahl erblickte. Auf dem Absatz drehte sie um, und es gelang Lisbeth gerade noch, sie am Ärmel zu erwischen und zurückzuhalten, bevor sie davonlief.
    »Nun reiß dich zusammen!«, zischte Lisbeth. »Du hättest es weit schlimmer treffen können.« Energisch packte sie ihre Nichte am Arm und zog sie mit sich den Gästen entgegen.
    »Herr Johann von Elverfeldt mit Gemahlin und ihrem Sohn Godert aus dem edlen Geschlecht der Freiherren von Elverfeldt«, stellte Andreas vor, und Lisbeth musste sich bemühen, Haltung zu bewahren. Godert von Elverfeldt – das war Sophies Godert!
    »Mein Schwager, der Ratsherr Mertyn Ime Hofe, mit Gemahlin«, setzte Andreas die Vorstellung fort.
    »Gnädiger Herr, gnädige Dame!«, grüßten die Brauteltern und ihr Sohn respektvoll den Ratsherrn und seine Frau, doch Lisbeth konnte ihren Blick nicht von dem Gesicht des jungen Mannes abwenden. Tatsächlich – es war Godert, der ehedem schüchterne Färberlehrling von Meister Quettinck.
    Die Zeit der Wanderung hatte ihn zum Manne reifen lassen. Seine Züge waren klar und fest, das Gesicht hatte alles Kindliche verloren. Nein, er war längst kein Jüngling mehr, und von Schüchternheit war nichts zu spüren. Offen und ein wenig spitzbübisch lächelte er Lisbeth an, als freue er sich, dass seine Überraschung gelungen war.
    Offensichtlich war er zurückgekehrt und hatte bei Andreas um Sophies Hand angehalten, ohne dass ihre Nichte davon wusste. Das war eine wundervolle Fügung, freute Lisbeth sich.
    Sie kannte Wyllem von Elverfeldt flüchtig. Er war Seidenhändler und hatte den Eid auf das Seidamt abgelegt. Goderts Vater Johann mochte

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