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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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ihrem Schwager noch für eine Weile aus dem Weg ging. Obschon sich an jenem Martinsabend nach seinem misslichen Beginn letztendlich noch alles zum Guten gewandt und man doch noch auf die Verlobung der Brautleute sich hatte zutrinken können.
    Eisige Windböen trieben ihr Spiel mit den Schneeflocken, die aus der grauen Watte des Himmels fielen, bevor sie sich an den Säumen der Gassen zu weißen Haufen sammelten. Auf dem Alter Markt hatte nur eine Handvoll Händler ihre Stände aufgebaut, um ihre Waren anzubieten. Frierend traten sie von einem Fuß auf den andern, rieben sich die Finger warm und harrten der wenigen Kunden, die den Weg zu ihnen finden mochten.
    Lisbeth war froh, als sie sich endlich in den warmen Schankraum des Weinzapfes flüchten konnte.
    »Nanu, Lisbeth! Was treibt dich bei dem Wetter vor die Rote Tür?«, begrüßte Rudolf sie und nötigte Lisbeth auf eine Bank in der Schankstube. Aus der Küche drang wunderbarer Bratenduft zu ihnen herein.
    »Ich wollte dich bitten, den Weihnachtstag mit uns zu verbringen«, antwortete Lisbeth. Seit ihre Mutter in Valencia lebte, sah sie Rudolf nicht mehr oft, doch sie hatte Fygens Sitte beibehalten, ihn zu allen Feierlichkeiten ins Haus Zur Roten Tür einzuladen, denn auf eine eigenartige Weise gehörte er für sie zur Familie.
    Ein schlaksiger Bursche, auf dessen Gesicht eine längst überstandene Pustelkrankheit kraterförmige Narben hinterlassen hatte, kam eilfertig herbei und stellte einen gefüllten Becher vor Lisbeth hin.
    Erstaunt merkte diese auf. »Wo ist Martha?«, fragte sie verwundert.
    Die Frage entlockte Rudolf ein gutmütiges Lächeln. Er konnte es ihr nicht verübeln, dass sie die Namen der Schankmädchen verwechselte, die für eine Weile zu seiner Favoritin avancierten und ihm Herz und Bett wärmten. Sie hatten einander alle geähnelt, waren blond und hübsch gewesen, denn nicht umsonst stand das Goldene Krützchen am Alter Markt im Ruf, die schönsten Schankmädchen der Stadt zu haben.
    Dennoch konnte Rudolf der Versuchung nicht widerstehen, Lisbeth mit aufgesetzter Empörung zu rügen: »Die Letzte hieß Barbara!«
    »Entschuldige.« Lisbeth lachte. »Barbara also?«
    »Fort«, sagte er mit schelmischem Grinsen und wischte mit dem Ärmel einen nicht vorhandenen Fleck vom Schanktisch. Dann wechselte er abrupt das Thema, und seine Miene wurde ernst: »Hast du gehört, was gestern bei der Meisterwahl der Steinmetzen geschehen ist?«
    Lisbeth schüttelte verneinend den Kopf.
    »Sie konnten sich nicht einigen, und die Wahl endete in einer ausufernden Rauferei, bei der sie sich die Köpfe blutig geschlagen haben.«
    »Wie schrecklich!«, erwiderte Lisbeth. »Doch es überrascht mich nicht. Die Steinmetze sind verwegene Raufbolde. Bei Zwistigkeiten sind sie rasch mit Messer und Hammer bei der Hand, dafür sind sie bekannt.«
    »Ja, das stimmt. Aber ich fürchte, diesmal ist es schlimmer«, orakelte Rudolf. »Die Zunftmeister waren nicht in der Lage, den Streit zu schlichten. Sie haben den Rat um Hilfe gebeten und ihn ersucht, die streitlustigen Genossen zur Verantwortung zu ziehen und zu bestrafen.«
    Lisbeth furchte die Stirn. »Die Steinmetze dulden für gewöhnlich keine Einmischung in ihre Angelegenheiten, schon gar nicht von Seiten des Rates. Wenn sie zu solch drastischen Mitteln greifen, dann steht es in der Tat schlimm«, stimmte sie Rudolf zu.
    Der nickte düster. »Ich sage dir, es liegt Ärger in der Luft. Als Schankwirt hört man so manches, was anderen entgeht. Ich glaube, es kommt Schlimmes auf uns zu!«, prophezeite er.
    Lisbeth nahm den letzten Schluck aus ihrem Becher und stellte diesen auf dem Tisch ab. Der würzige Wein hatte sie gewärmt, und es wurde Zeit, zu gehen, wenn sie zum Mittagsmahl daheim sein wollte. »Du kommst also zur Christnacht?«, sagte sie, mehr Feststellung als Frage, und erhob sich.
    Doch zu ihrer Überraschung schüttelte Rudolf den Kopf. »Nein, Lisbeth. Ich fürchte, in diesem Jahr kann ich deiner lieben Einladung nicht folgen. Meiner Gemahlin wird es nicht recht sein.« Bedauernd hob er die Schultern.
    »Deiner Gemahlin? Rudolf! Du hast geheiratet! Warum erzählst du mir das erst jetzt? Wie schön für dich! Ich dachte schon, du würdest nie die Rechte finden. Wer ist sie? Kenne ich sie?«, bestürmte Lisbeth ihn mit Fragen.
    Rudolfs Wangen färbten sich einen Ton dunkler als gewohnt, und er rang die Hände.
    Suchend blickte Lisbeth sich in der Schankstube um. »Wo ist sie? Ich möchte sie begrüßen.«
    Als

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