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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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werden.
    Dumpf erklang der Widerhall im Innern des Hofes, als Fygen den schweren Klopfer gegen das Tor schlug, und nach einer Weile näherten sich schlurfende Schritte. Die in den mächtigen Torflügel eingelassene Tür öffnete sich einen Spaltbreit, und ein kleinwüchsiger, bereits vom Alter gebeugter Diener mit spitzen Schuhen und langem weißem Hemd streckte vorsichtig seine Hakennase hindurch. Abschätzend legte er das dunkle Gesicht in Falten und musterte sie.
    »Ich wünsche deinen Herrn zu sprechen!«, beschied Fygen ihm mit einer gehörigen Portion Herablassung.
    Der Diener verbeugte sich und nickte. »Demá«, sagte er.
    »Nichts Demá! Jetzt, hier und sofort!«, befahl Fygen. »Verstehst du mich?«
    Der Diener nickte abermals und trat einen Schritt zurück. Fygen ihrerseits machte einen Schritt auf die Tür zu, in der Erwartung, der Diener würde ihr Einlass gewähren. Doch stattdessen schloss er die Tür mit einer flinken Bewegung.
    Das war unfassbar! Fygen spürte, wie ihr die Zornesröte ins Gesicht stieg. Hatten denn die Menschen hier keinerlei Benehmen?
    Doch zur Ehrenrettung der Valencianos öffnete sich alsbald die Tür erneut. Es war ein anderes Gesicht, das im Rahmen erschien, weit jünger und wie frisch gewaschen. Ein junger Bursche mit hellem Blondschopf lächelte sie an. »Senyora, so leid es mir tut: Herr Alexander ist nicht zugegen. Wenn Ihr morgen wiederkommen wollt?« Höflich und in bestem Deutsch mit schwäbischem Einschlag posaunte er die Worte hervor, augenscheinlich ein Lehrling aus Ravensburg, in die Fremde geschickt, um das Kaufmannshandwerk zu erlernen.
    Fygen starrte ihn fassungslos an.
    »Versteht Ihr mich?«, fragte der Bursche. »Heute nicht! ¡Avui no! ¡Demá!«
    Fygen nickte, und bevor sie noch etwas erwidern konnte, hatte sich die Tür wieder geschlossen.
    Demá! – es war zum Auswachsen! Fygen entfuhr ein Fluch, doch um Schicklichkeit brauchte sie sich hier wahrlich nicht zu bemühen. Außer Eckert wäre kaum jemand in der Lage zu verstehen, was ein Hundsfott war, und der war von seiner Brotherrin manche Merkwürdigkeit gewohnt.
    Entsprechend überrascht fuhr Fygen herum, als sie in ihrem Rücken dennoch ein spitzes Kichern vernahm. Ein junges Ding grinste sie breit an, und es dauerte einen Moment, bis Fygen in ihm Filomena erkannte, die junge Frau, die sie an Bord des Schiffes aus ihrer prekären Situation gerettet hatte.
    Filomena war offensichtlich guter Dinge und schien dem Rotgesichtigen nicht länger nachzutrauern, zumal sie einen würdigen Ersatz für ihn gefunden hatte. Der Kerl, der mehr haltsuchend als besitzergreifend seinen Arm um ihre halbnackten Schultern gelegt hatte, dünstete den Wochenumsatz eines mittleren Weinzapfes aus.
    Manche verstanden es wohl nicht besser, als sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen, dachte Fygen. »Kennst du den Herrn Alexander?«, fragte sie, mehr, um ihrem Ärger Luft zu machen, als dass sie glaubte, Filomena würde ihr helfen können.
    »Wen?«
    »Den Faktor der Ravensburger Handelsgesellschaft«, sagte Fygen und deutete mit dem Kinn auf das Haus.
    Filomena bedachte Fygen mit einem schrägen Blick aus halb geschlossenen Augen. »¡Fill de mala mare!«, zischte sie leise und spuckte aus. Doch dann entsann sie sich der Münze, die Fygen ihr an Bord der Karavelle geschenkt hatte. »Sicher …«, antwortete sie daher respektvoll.
    »Weißt du vielleicht, wo ich ihn finden kann?«, beeilte Fygen sich sie zu fragen. Es war nur ein geringer Hoffnungsschimmer.
    »Wenn ich einen von den Pfeffersäcken suchen würde, dann würde ich in die Llotja gehen«, hob Filomena zu einer Antwort an, unterbrach sich jedoch mit einem Quietschen. Den Betrunkenen langweilte das Gespräch der Frauen, und unvermittelt griff er in Filomenas großzügiges Mieder. Halbherzig schob sie ihn von sich, doch der Betrunkene drückte ihr einen feuchten Kuss auf das Ohr und zog sie mit sich fort.
    Die Llotja de la Seda. Ohnehin hatte Fygen beabsichtigt, das neue Seidenkaufhaus aufzusuchen, es würde also nicht schaden, sogleich dorthin zu gehen.
    Auf ihrem Weg ins Herz der Stadt begegneten Fygen und Eckert nur vereinzelt Menschen in den Gassen. Als sie jedoch den gedrungenen Bau der Kathedrale erreichten, sahen sie sich gezwungen, einen Bogen zu schlagen. Vor dem Apostelportal der Kathedrale hatte sich eine Versammlung gebildet. Einfache Leute waren es zumeist, gekleidet in die schlichten Kittel der Bauern. Man schien zu Gericht zu sitzen, denn einzeln oder zu

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