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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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gekommen war! Clairgin war eine hübsche junge Frau und Herman ein ansehnlicher Bursche – Lisbeth sah nicht ein, warum es mit den beiden nichts werden sollte. Je mehr sie über die Sache nachdachte, desto besser gefiel sie ihr. Sie würde auch Clairgin zu ihrem Maiumtrunk laden!

4 .  Kapitel
    L autes Schwätzen aus gut einem Dutzend Kehlen empfing Lisbeth, als sie in ihre neue Werkstatt trat. Der großzügige Raum nahm die ganze Breite des davorliegenden Hauses ein und maß an die zehn Schritt im Geviert. Lisbeth hatte die Wände und die Deckenbalken, die das flache Dach trugen, neu tünchen lassen. Durch die geöffneten Klappläden der Fenster fluteten genügend Licht und ein warmer Lufthauch herein.
    Ordentlich standen die Webstühle, mittlerweile zehn an der Zahl, nebeneinander, drei, drei und in der hinteren Reihe vier. Der Anblick der Werkstatt erfüllte Lisbeth mit Stolz.
    Doch sogleich verflog ihre gute Stimmung, denn an den Webstühlen ruhte die Arbeit. Die Frauen – fünf angestellte Weberinnen und alle acht Lehrmädchen – standen in trauter Gemütlichkeit beisammen und schwatzten, als gelte es, einen Preis zu erringen.
    Wie gewohnt führte Stina Lommerzheim das Wort, das Becken vorgeschoben, die Fäuste beidseitig in die Hüften gestemmt wie ein Landsknecht. Einzig die kurzsichtige Gertrud, die bereits Fygen zur Hand gegangen war, und eine andere Helferin stapelten Rohseide in eines der hölzernen Regale, die an der Werkstattwand angebracht waren.
    Vom Eintreten ihrer Dienstherrin schienen die Weberinnen keinerlei Notiz zu nehmen, oder wenn doch, so war es ihnen nicht Grund genug, wieder an ihre Arbeit zu eilen. Lisbeth krauste verärgert die Nase. Sie hatte nichts dagegen, wenn die Frauen sich bei der Arbeit unterhielten. Vielmehr nahm sie es als Zeichen dafür, dass sie sich untereinander gut verstanden, was ihrer Arbeit nur zugutekam. Doch es konnte nicht angehen, dass sie einfach ihre Arbeit einstellten, sobald Lisbeth den Raum verließ.
    Lisbeth räusperte sich, und mit aufreizender Gemächlichkeit wandten sich die Lehrmädchen wieder ihren Aufgaben zu. Die beiden Ältesten, die ihre Lehre noch bei Fygen begonnen hatten und bereits so erfahren waren, dass ihre Gewebe Lisbeths Anforderungen genügten, setzten sich hinter ihre angestammten Webstühle, die anderen sechs fuhren darin fort, die beiden zurzeit unbestückten Webstühle aufzuscheren und von einem dritten das fertige Tuch herunterzuschneiden.
    Doch Stina Lommerzheim dachte gar nicht daran, ihren gemütlichen Plausch zu unterbrechen. Lisbeth den Rücken zugewandt, redete sie einfach weiter.
    In Lisbeth stieg Ärger auf. Denn dies geschah keineswegs zum ersten Mal. Sie hatte Stina von Katryn übernommen, bei der sie seit Jahren um Lohn gewirkt hatte. Stina war kräftig und konnte zupacken, und sie wusste um ihre Qualitäten als Seidmacherin. Doch es mangelte ihr einfach an Respekt.
    Und Stinas Respektlosigkeit hatte – wen nahm es wunder – bereits auf die anderen Seidmacherinnen abgefärbt. Weder die von Katryn noch ihre eigenen wollten hinter Stina zurückstehen. Selbst die Lehrtöchter gehorchten Lisbeth nicht wie früher. Lisbeth verlangte keine übertriebene Höflichkeit, doch sie erwartete, dass die Frauen ihre Arbeit taten – nicht mehr und nicht weniger.
    Bereits zwei Mal hatte sie versucht, Stina auf freundliche Weise dazu anzuhalten, fleißiger zu sein. Doch es hatte nicht gefruchtet. Von einer Dienstherrin, die gerade einmal halb so alt war wie sie selbst, wollte Stina sich nichts sagen lassen.
    Lisbeth wusste, dass sie sich Respekt verschaffen musste, wollte sie dem faulen Treiben nicht weiterhin zusehen, doch zugleich fürchtete sie die offene Konfrontation mit der Älteren. In ihrer Ratlosigkeit hatte Lisbeth sogar schon daran gedacht, Katryn um Hilfe zu bitten. Doch ihr war klar, dass das Eingreifen ihrer Schwiegermutter die Sache nur umso schlimmer machen würde.
    »Ich bedaure sehr, eure traute Runde zu stören. Aber meint ihr nicht, es sei an der Zeit, wieder an die Arbeit zu gehen?«, fragte sie sarkastisch.
    Langsam, mit an Unverschämtheit grenzender Lässigkeit, setzte Stina sich in Bewegung.
    Am liebsten hätte Lisbeth Stina an den Armen gepackt, sie ordentlich durchgeschüttelt und zu ihrem Webstuhl gezerrt. Doch sie zwang sich zur Ruhe. Im Stillen zählte sie bis zehn, während sie Stina zu deren Webstuhl folgte. Wenn sie jetzt die Fassung verlor und anfing zu schreien, so würde ihr das erneut als

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