Die Tochter der Seidenweberin
würde der selige Herr dazu sagen?« Es war ihm gar nicht recht, seine Herrin mit dem Spanier allein zu lassen.
»Das ist nicht vonnöten«, entgegnete Fygen entschieden. »Ich bin sicher, dass mir in de la Vegas Gesellschaft kein Leid geschieht. Du hast selbst gesehen, wie er sich zu verteidigen versteht.«
Eckert verzog schmerzlich das Gesicht. Der Vorfall an Bord der Karavelle nagte immer noch an ihm.
Während er noch nach einer passenden Entgegnung suchte, strich Fygen ihre Haube glatt, warf sich den leichten Reiseumhang über die Schultern und ließ Eckert stehen.
»Ein Zeichen der Wiedergutmachung«, sagte de la Vega mit einem Zwinkern zur Begrüßung und half Fygen galant auf den Wagen.
Fygen spürte, dass sich hinter seinem scherzhaften Ton aufrichtiges Bedauern verbarg. »So bereut Ihr Eure Taten«, gab sie im gleichen Tonfall zurück.
»Nein, ganz und gar nicht. Denn schließlich waren sie es, die mich in den Genuss Eurer Gesellschaft gebracht haben.« De la Vega lachte, schwang sich neben Fygen auf den Wagen und griff nach den Zügeln. Mit sicherer Hand lenkte er das Gespann mit den beiden Rappen durch die belebten Gassen, vorbei an Eselkarren und Ochsengespannen, Mägden mit Körben und dunkelhäutigen Lastenträgern mit Bündeln, umfuhr wandernde Garküchen, lärmende Kinder und dösende Hunde, und wich achtunggebietenden Geistlichen in dunklen Kutten, zauseligem Bettelvolk und fröhlichen Müßiggängern aus.
Am Rande des Plaza Mercado zügelte de la Vega die Pferde. »Ihr entschuldigt, dass wir einen Moment halten, ich habe noch etwas Geschäftliches zu erledigen, das keinen Aufschub duldet.«
»Doch nicht etwa zweieinhalbtausend Pfund Seide aus Almeria zu kaufen?«, stichelte Fygen gutmütig.
»Ebendas war meine Absicht!« De la Vega lachte. »Möchtet Ihr mich begleiten?« Behende sprang er vom Wagen, warf die Zügel einem herumlungernden Gassenjungen zu und half Fygen beim Absteigen. Zügigen Schrittes führte er sie in die Llotja, an dem Taula de cambis de la Ciutat vorbei, dem Tisch der städtischen Wechselbank, unter dem schwere Geldkisten standen, bis in den hinteren Teil der Sala de Contractatión, jener glanzvollen Verkaufshalle, in der Fygen ihn am Vortag angetroffen hatte.
Der Händler aus Almeria schien sie wiedererkannt zu haben und blickte ihnen erwartungsvoll entgegen, doch de la Vega steuerte an ihm vorbei einen anderen Stand an und begrüßte den hageren Mann dahinter wie einen alten Freund. Rasch wurden die Herren sich handelseinig, während Fygen sich überlegte, ob sie nicht zu den zweieinhalbtausend Pfund noch weitere Seide hinzukaufen sollte.
Nun, wo kein undurchsichtiger Herr Alexander mehr einer Lieferung im Wege stand, beschränkte sich die Gefahr einzig auf den Transport – ein überschaubares Risiko. Natürlich hätte sie den Dret Real in Höhe eines Sechzigstels des Wertes der Ware zu entrichten, eine Ausfuhrgebühr, die allen Untertanen des Emperador d’Alemanya auferlegt wurde. Doch der Handel würde sich lohnen. »Ich würde gerne die gleiche Menge noch einmal dazukaufen«, sagte sie, an de la Vega gewandt, der ihren Wunsch dem Händler übersetzte.
Dieser blickte Fygen treuherzig aus feucht schimmernden, dunklen Augen an, schüttelte bedauernd den Kopf und überschüttete sie mit einem unverständlichen Wortschwall.
»Er bedauert es sehr, doch er hat nur noch sehr wenig Seide«, übersetzte Alejandro. »Und die ist sehr teuer.«
»Wie teuer?«
Der Händler wog den Kopf von einer Seite auf die andere, dann nannte er eine Zahl.
De la Vega übersetzte, und Fygen winkte ab.
»Sagt ihm, ich gebe ihm die Hälfte«, sagte Fygen und richtete sich auf eine zähe Verhandlung ein.
»Ein Kölnisch Gebot«, schmunzelte de la Vega. »Was dir ein Kölner heischet, das sollst du halb oder weniger bieten, so wirst du nicht betrogen«, zitierte er ein unter Kaufleuten verbreitetes Wort, bevor der dem Händler Fygens Angebot unterbreitete.
Eine Weile ging es hin und her, und am Ende hatte man sich auf zwei Drittel des ursprünglichen Preises geeinigt.
»Meinen Respekt«, sagte de la Vega. »Ihr handelt wie ein Pferdehändler. Ich selbst zahle kaum weniger.« Er bat den Händler, Fygens Seide gemeinsam mit seiner in den Gelieger der Gesellschaft bringen zu lassen, wo man sie für die Verschiffung richten würde, und nur wenig später setzten Fygen und er ihre Fahrt fort.
Fygen hätte nicht gedacht, dass Valencia um so vieles größer war als Köln. Nahezu doppelt so
Weitere Kostenlose Bücher