Die Tochter der Seidenweberin
Moment mehr verlieren.
Eilig schickte sie eine Magd zum Apotheker, um die Rinden zu kaufen, und trug einer anderen auf, ihr die Badestube zu richten. Denn es gehörte zu den Vorzügen dieses herrschaftlichen Hauses, dass es in den Räumen neben dem Küchentrakt eine eigene Badestube besaß. Zur Verwunderung der Magd wies sie diese an, den Ofen nicht zu heizen, sondern den Zuber mit kaltem Wasser aus dem Brunnen zu füllen.
Die Mägde eilten sich, und so dauerte es nicht lange, bis alles bereit war. Lisbeth ging in die Badestube und zog sich ungeduldig das Kleid über den Kopf.
Die kalte Luft in dem ungeheizten Raum ließ sie frösteln, denn nach ein paar vielversprechenden Tagen im Frühjahr ließ der Sommer in diesem Jahr auf sich warten. Ein heißes Bad wäre sicher angemessener, dachte Lisbeth und probierte die Temperatur des Wassers mit der Hand.
Das Wasser war wirklich kalt. Doch wenn es ihr helfen würde, wenn sie als Lohn dafür endlich ein Kind bekäme, so hätte sie nichts dagegen, wenn das Wasser in dem Badezuber mit einer Schicht Eis überzogen wäre, dachte sie.
Tief schöpfte Lisbeth Luft und hielt den Atem an. Dann stieg sie tapfer in die Wanne. Beinahe schmerzhaft stach ihr die Kälte in die Waden.
Lisbeth gönnte sich einen Moment des Zauderns, dann fasste sie sich ein Herz und tauchte mit dem ganzen Körper unter. Die Kälte nahm ihr fast den Atem, doch nach wenigen Augenblicken begann ihre Haut sich daran zu gewöhnen.
Solange es eben ging, harrte Lisbeth in dem kalten Wasser aus, und erst als ihre Glieder steif waren vor Kälte und sich ihre Lippen blau gefärbt hatten, gestattete sie sich, aus dem Zuber zu steigen.
6 . Kapitel
I hr könnt doch nicht mit diesem« – Eckert suchte vergeblich nach dem passenden Wort – »Herrn in der Gegend herumfahren!«, insistierte er und schob streitbar das Kinn vor.
Aufgeregt war am Morgen die Wirtin in Fygens stickige Kammer geplatzt. »¡Senyora, Senyora! ¡Ha arrivat uns cistell ple de taronjes per avos!«
Die Senyora hatte den Redeschwall der Wirtin nicht verstanden, aber das war auch nicht nötig gewesen, denn der ausladende Weidenkorb, der bis zum Rand angefüllt war mit saftig prallen Orangen und hinter dem die üppige Gestalt in ihrem schmierigen Mieder beinahe verschwand, war nicht zu übersehen. Sogleich erfüllte der süße Duft der Orangen die enge Kammer.
Umständlich stellte die Wirtin den Korb auf dem Boden ab, wies auf das Billett, das dem Korb angeheftet war, und blieb, die Hände abwartend vor der schmutzstarrenden Schürze verschränkt, stehen. Während Fygen die wenigen Worte las, mit denen Alejandro de la Vega sie für den späten Vormittag einlud, ihr die Seidenzuchten auf dem Land um Valencia zu zeigen, schien die Nase der Wirtin vor Neugier immer länger zu werden. Fygen faltete das Billett zusammen und blickte die Wirtin fragend an. Diese verstand die stumme Aufforderung und verschwand.
Fygen zog eine Grimasse. Die ganze Herberge war eine rechte Zumutung, vor allem, was die Sauberkeit anging. Bei ihrer Ankunft hatte Fygen festgestellt, dass der gemeinschaftliche Schlafraum gotterbärmlich stank und mit schimmeligem Stroh ausgelegt war, das dringlich eines Wechsels bedurfte. Es war bereits das dritte Gasthaus gewesen, das sie aufgesucht hatten, und Eckert hatte ihr wenig Hoffnung gemacht, sie könnte ein besseres finden.
Die Kölnische Mark wurde auch in Valencia gern genommen, und so hatten sich die Wirtsleute rasch dazu überreden lassen, zusammenzurücken und Fygen ihre eigene Schlafkammer zu überlassen, wiewohl auch die vor Schmutz starrte, von dem Ungeziefer, das sich zwischen den alten Strohsäcken tummelte, ganz zu schweigen.
Fygen hatte eine Magd eigens dazu angestellt, die Kammer von Grunde auf zu scheuern, und den Wirtsleuten aufgetragen, frische Strohsäcke herbeizuschaffen, und so schließlich ein annehmbares Quartier erhalten.
Der Vormittag war bereits fortgeschritten, und eben ertönte in der Gasse das Schlagen von Pferdehufen. Es erstarb, als ein leichtes Gespann vor der Herberge zum Stehen gebracht wurde, und Fygen lächelte ihren altgedienten Reisegefährten nachsichtig an. »Ich kann und ich werde«, sagte sie. »Senyor de la Vega ist vielleicht in seinen Handelsgepflogenheiten ein wenig – nun, sagen wir – unkonventionell, aber er ist ein Ehrenmann. Er wird mir schon nichts zuleide tun.«
Eckert verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann lasst mich Euch begleiten«, beharrte er. »Was
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