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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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anziehen!«, rief sie Klara und Rita zu, die sich eben daranmachten, den Kettbaum aufzurollen. Die Fäden mussten dabei straff gespannt werden, damit das Gewebe später keine Beulen bekam.
    Kräftig zogen die Mädchen an den Fäden.
    »Noch fester!«, befahl ihre Lehrherrin.
    Schweiß trat den beiden Mädchen auf die Stirn. Sie keuchten hörbar und legten ihr ganzes Gewicht gegen die Fäden, während sie langsam den Kettbaum drehten, so dass sich die Fäden straff um den Holm wickelten.
    Mit einer letzten Anstrengung schoben sie die überstehenden Enden des Kettbaums in die dafür vorgesehenen Halterungen am Webstuhl und schüttelten prustend die angespannten Muskeln ihrer Arme aus.
    »So«, sagte Lisbeth mit einem freundlichen Lächeln, »nun dürft ihr zur Belohnung auch weben!«
    Stina entfuhr ein unterdrücktes Schnauben, und sie musste sich abwenden, um nicht laut herauszuprusten, als sie verstand, was die Meisterin bezweckte.
    »Stina, bring Rita ein Schiffchen!«, befahl Lisbeth.
    »Sehr wohl, Frau Ime Hofe. Sofort«, antwortete Stina und beeilte sich, das Gewünschte zu holen.
    Ritas rundliche Wangen erröteten vor Freude. Mit einem breiten Grinsen reichte Stina ihr ein Schiffchen, in dem bereits eine Spule lag, auf die Schussgarn gewickelt war.
    Mittlerweile hatten alle Frauen, ausgelernte Weberinnen wie Lehrmädchen, ihre Arbeit unterbrochen und sich um den Webstuhl geschart, hinter dem Rita nun voller Stolz Platz nahm. In ihrer Aufgeregtheit merkte das Lehrmädchen nicht, wie die Frauen einander mit den Ellbogen anstießen. Gespannt beobachteten sie, wie Rita sich auf der Bank zurechtsetzte und die langen, weizenblonden Zöpfe über die Schultern zurückwarf.
    Ritas Füße suchten das Pedal, und wie sie es bei den anderen gesehen hatte, trat sie es fest durch, in der Erwartung, dass sich nun ein Teil der Kettfäden heben und sich ein Fach öffnen würde, zwischen das sie das Schiffchen führen könnte.
    Doch auf ihr Treten hin öffnete sich kein Fach, die Fäden blieben, wo sie waren. Rita runzelte die Stirn, und ein vereinzeltes Kichern schlich durch die Werkstatt. Wieder trat Rita auf das Pedal, fester nun, doch wiederum zeigte sich keine Wirkung. Verdutzt blickte sie ihre Lehrherrin an. Die verbiss sich ein Lachen und wies auf die Litzen, die leer von ihrem Holm herabbaumelten.
    Ritas Blick folgte Lisbeths ausgestrecktem Finger, und sie erkannte ihren Fehler. Die Schnüre, die mit dem Pedal verbunden waren, hoben die Litzen an, doch die Mädchen hatten beim Aufscheren vergessen, die Kettfäden durch die Litzen zu fädeln. Ritas bereits gerötetes Gesicht färbte sich purpurn, und die Frauen begannen ausgelassen zu kichern.
    Nach einem Moment fielen Rita und Klara in die allgemeine Heiterkeit ein, und auch Lisbeth lachte mit ihnen. Diese Lektion hatte zwar etwas Zeit gekostet, doch Lisbeth war sicher, den Fehler würden die Mädchen nicht wieder begehen.
    Das Klopfen an der Tür ging in dem haltlosen Gelächter unter. Gewichtigen Schrittes, von der Magd gefolgt, trat Doktor Gremberg in die Werkstatt und blickte konsterniert auf das kichernde Weibsvolk. Doch keine der Frauen bemerkte seine Anwesenheit. »Frau Ime Hofe?«, fragte er schließlich in das Gelächter hinein, denn er wusste nicht zu sagen, welche von den kichernden Frauen hier die Hausherrin war.
    Ein wenig ratlos strich der Doktor über seinen spitzen Bart, dessen Enden sich bereits silbern färbten. Hatte man sich einen Scherz mit ihm erlaubt? Es war ganz offensichtlich, dass hier niemand erkrankt war und eines Arztes bedurfte. »Frau Ime Hofe?«, fragte er abermals, bestimmter jetzt.
    Das Gelächter verstummte, und die Frauen musterten den Eindringling neugierig. Was, um alles in der Welt, hatte denn ein Arzt bei ihnen in der Werkstatt zu suchen?
    Auch Lisbeth wandte sich zu ihm um, und als sie seinen langen dunklen Arztmantel erblickte, erstarb ihr das Lachen in den Augen. »Ihr wisst, was ihr zu tun habt«, sagte sie zu Klara und Rita. Dann begrüßte sie den Doktor und führte ihn sogleich in die Stube, ganz so, wie der honorige Mann es gewohnt war.
    »Nun, wo ist der Patient?«, fragte Doktor Gremberg bemüht, die Routine einer gewöhnlichen Konsultation wiederherzustellen. Er wandte sich um, als rechne er damit, dass man jeden Moment einen Kranken zu ihm führte. »Ist eines Eurer Kinder erkrankt?«
    »Ich wünschte, es wäre so!«, entfuhr es Lisbeth.
    Gremberg musterte sie mit Befremden. Welche Mutter wünschte ihren Kindern

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