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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Krankheit?
    Hastig verbesserte Lisbeth sich: »Ich fürchte, ich bin Euer Patient.«
    Der Arzt zog die buschigen Brauen hoch. »Sehr krank wollt Ihr mir nicht erscheinen«, entfuhr es ihm ganz entgegen seiner Gepflogenheit, zunächst den Dingen auf den Grund zu gehen, bevor er sich zu einer diagnostischen Äußerung hinreißen ließ.
    Lisbeth nickte traurig. »Ich fühle mich auch nicht krank. Jedenfalls nicht krank im herkömmlichen Sinne … Es ist vielmehr … vielmehr …« Es fiel ihr schwer, ihren Kummer in Worte zu fassen.
    Unbewegt stand der Arzt da und musterte sie aus kühlen grauen Augen, die Hände abwartend vor der Brust gefaltet. Vor seinem prüfenden Blick hatte Lisbeth das Gefühl zu schrumpfen. Dieser Doktor war keiner der Menschen, denen man vertrauensvoll sein Herz ausschüttete, dachte sie. Doch er stand in gutem Ruf. Schließlich hatte sie ihn herbestellt, um ihn um Hilfe zu bitten, da konnte sie jetzt nicht kneifen, so schwer es ihr auch fiel. Und sie bedurfte seiner Hilfe so sehr.
    »Ich kann keine Kinder bekommen«, sagte Lisbeth leise und biss sich auf die Lippe. Dies auszusprechen tat richtig weh. Es fühlte sich an wie das Eingeständnis eines Versagens. »Ich wünsche mir so sehr ein Kind, aber ich werde einfach nicht schwanger.«
    Im Gesicht des Arztes zeigte sich keine Regung. »Hm!«, brummte er in seinen Bart, öffnete seine kastenförmige Ledertasche und entnahm ihr ein dünnwandiges, tropfenförmiges Gefäß aus hellem Glas. Es mochte nicht mehr fassen als ein herkömmliches Trinkgefäß, doch unterschied es sich davon deutlich in der Form, denn nach oben hin verjüngte es sich, um dann in einem breiten, flachen Rand zu enden. Gremberg reichte Lisbeth die Matula. »Wenn ich Euch um Euren Urin bitten dürfte?«
    »Urin? Äh, ja sicher.« Mit ausgestrecktem Arm nahm Lisbeth das Gefäß entgegen. »Ihr entschuldigt mich einen Moment?«, sagte sie und verließ die Stube in Richtung der Latrinen im Hof.
    Es dauerte eine Weile, bis Lisbeth mit dem Gewünschten zurückkehrte. Ein wenig schamhaft reichte sie dem Arzt das gefüllte Schauglas. Sie hätte nichts Besonderes an diesem Urin finden können. Für sie war es schlicht und einfach gewöhnlicher Urin.
    Aufmerksam beobachtete Lisbeth, wie Gremberg die Matula gegen das Licht hielt, das durch die Fenster in die Stube fiel, und eingehend das Produkt ihrer Ausscheidung betrachtete. Welche schlimmen Geheimnisse, die sich in ihrem Körper verbergen mochten, würde der Arzt darin entdecken können, fragte sie sich bang. Doch seiner ausdruckslosen Miene war nichts zu entnehmen.
    Klar war der Urin, befand der Arzt, und von hellem Gelb. Allenfalls fand sich ein leichter Stich ins Rot darin. Gremberg nickte wie zur Bestätigung seiner Gedanken. Mit routinierter Handbewegung schwenkte er die Matula, dass der Urin darin in Bewegung geriet, und wartete dann ruhig ab, bis die blasse Flüssigkeit zur Ruhe kam. Doch es senkten sich keine festen Partikel, auf dem Boden des Glases bildete sich kein Satz. Schließlich hob er das Schauglas an die Nase und schnüffelte hörbar daran.
    Abermals nickte der Arzt. Die Urinbeschau hatte seinen ersten Eindruck bestätigt. Der Urin war in keiner Weise auffällig, wies nicht auf eine Erkrankung hin. Der Arzt stellte die Matula beiseite und richtete seinen Blick wieder auf die Patientin. Deren Augen waren klar, die Haut hatte eine frische Farbe, und ihr fröhliches Lachen, das er in der Werkstatt vernommen hatte, zeugte nicht von Schwermut.
    Nein, sein erster Eindruck hatte Gremberg nicht getäuscht. Diese Frau hier war nicht krank. Sie war so gesund und lebendig wie eine junge Katze. Vielleicht ein wenig zu lebendig, befand der Arzt, denn ihr lebhaftes Temperament ließ auf ein Übermaß an gelber Galle schließen.
    »Kalte Bäder würden Euch guttun«, sagte er bedächtig. »Mischt die Rinde von Weide und Birke hinein und eine Handvoll getrockneter Taubnessel. Das wird Eure Säfte abkühlen. Doch aus medizinischer Sicht sehe ich keinen ernstlichen Grund, der es Euch verwehrt, Kinder zu bekommen«, erklärte er.
    Beinahe ungläubig starrte Lisbeth Gremberg an. Das war alles? Ein paar kalte Bäder? Mehr nicht? Das klang ihr fast zu einfach, doch sie wollte es ihm allzu gerne glauben. Der Doktor war schließlich ein studierter Mann!
    Kaum konnte sie abwarten, dass der Arzt das Haus Zur Roten Tür verließ. Wenn es wirklich nur einiger Bäder bedurfte, damit sie endlich schwanger würde, so wollte sie keinen weiteren

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