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Die Tochter der Seidenweberin

Die Tochter der Seidenweberin

Titel: Die Tochter der Seidenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Niehaus
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Und sie wusste Brigitta van Berchem auch einen guten Grund zu nennen, warum diese sie unbedingt einstellen müsste. Eine Neuigkeit, mit der sie ihrer künftigen Lehrherrin sicher eine Freude bereiten würde. Als Antrittsgeld sozusagen.
    Während Jacoba sich zum Gehen wandte, nahm Lisbeth sich vor, mit Clairgin über die Angelegenheit zu sprechen. Es würde sicher nicht schaden, wenn diese über ihr undankbares Lehrmädchen Bescheid wüsste. Gleich, wenn sie mit dem Färbergesellen fertig wäre, würde sie zu Clairgin gehen. Sie hatte die Freundin ohnehin schon viel zu lange nicht mehr gesehen.
    Vielleicht wäre Lisbeth und Clairgin einiger Unbill erspart geblieben, wenn nicht in dem Moment polternd der Hausknecht der Hers ins Haus Zur Roten Tür geplatzt wäre.
    Die kopflose Tante Fya hatte ihn geschickt. Der Vater ihres Gatten Hans, jener erfahrene Transporteur, der Fygen und Eckert sicher über die Alpen geleitet hatte, war plötzlich verstorben. Ihr Gemahl weilte in Antwerpen, und jetzt wusste Fya nicht, was sie mit dem Leichnam machen sollte, den man ihr ins Haus gebracht hatte.
    Lisbeth vergaß Clairgins Lehrmädchen Jacoba und eilte ihrer Schwester zu Hilfe.
     
    Die Fahrenden lagerten bereits eine geraume Weile mit ihren bunten Wagen vor dem Hahnentor, und da man nie wissen konnte, wann sie der Stadt plötzlich überdrüssig wären, ihre Habe auf die Karren laden und sich im Dunkel der Nacht davonstehlen würden, hatte Lisbeth sich alsbald nach dem Kränzchen im Haus Xanten auf den Weg zu ihnen gemacht.
    Als sie die kleine Wagenstadt erreichte, drang eine fremd klingende Weise an ihr Ohr. Doch sonst war es ruhig im Lager. An der Feuerstelle, um die sich die Handvoll Wagen drängten, als suchten sie dort Schutz und Wärme, saßen nur ein alter Mann und ein junger Bursche. Argwöhnisch musterten sie Lisbeth aus dunklen Augen, die zwischen struppigen Bärten und wildem Haar hervorblitzten. Es kam nicht oft vor, dass Bürger der Stadt den Lagerplatz aufsuchten.
    Die anderen Zigeuner der Sippe schienen in Geschäften in der Stadt unterwegs zu sein, boten ihre Dienste als Kesselflicker oder Musiker an, übten sich in verstohlenen Diebereien oder weissagten den Menschen, die mutig genug waren, das Schicksal erfahren zu wollen, eine blühende Zukunft voraus.
    Als Lisbeth zu den beiden Männern ans Feuer trat, verstummte die Melodie.
    »Latscho dives!«, grüßte der Alte und stieß den Burschen mit dem Ellbogen in die Seite. Dieser legte daraufhin die Flöte aus den Händen, erhob sich und führte Lisbeth zielstrebig zu einem der Wagen.
    Auf den hölzernen Trittstufen, die in das Innere des Karrens führten, saß eine Frau, nur wenig älter als Lisbeth selbst. Sie trug ein helles Hemd und allerlei Flitter um den Hals und an den Armen, und von ihren Ohren baumelten Ringe, die bei jeder Bewegung ihres kleinen Kopfes leise klimperten. Um ihre hüftlangen schwarzen Zöpfe hatte sie ein orangefarbenes Tuch gebunden, dessen Kanten von farbigen Perlen gesäumt wurden.
    Überraschend weiße Zähne blitzten in dem dunklen Gesicht der Frau auf, als sie lächelnd ihren leuchtend gelben Rock zusammenraffte und auf der Stufe zur Seite rutschte. Mit einer anmutigen Geste, die die kupfernen Reifen an ihren Armen zum Klirren brachte, bedeutete sie Lisbeth, sich neben ihr niederzulassen.
    Als Lisbeth sich setzte, nahm sie den schweren süßlichen Duft wahr, der von der Frau ausging.
    Der schmutzig graue Hund, der zu ihren Füßen im Staub lag, hob kurz den Kopf, gähnte und kratzte sich ausgiebig mit der Pfote hinter dem Ohr. Der Bursche verschwand, und wenige Augenblicke darauf setzte das Flötenspiel wieder ein.
    Ohne ein Wort griff die Zigeunerin nach Lisbeths Hand und drehte die Handfläche zu sich hin. Aufmerksam betrachtete sie die Länge und die Form der Finger, fuhr dann mit ihrem Zeigefinger die Linien in der Fläche nach. »Gute Hand!«, sagte sie. »Viel gesund! Glückliche lange Leben.«
    Die Zigeunerin schenkte Lisbeth ein breites Lächeln. »Was willst du? Mann hast du, Glück hast du. Kinder hast du.«
    Lisbeths Miene umwölkte sich, und hastig entzog sie der Frau ihre Hand.
    »Keine Kinder? Hier steht anders!« Die Zigeunerin furchte die Stirn und tippte mit dem Finger auf Lisbeths Hand, die diese an ihre Brust gepresst hielt.
    »Nein, keine Kinder«, bestätigte Lisbeth.
    »Oh, macht nix! Kommt schon!« Mit einem leisen Lachen erhob die Zigeunerin sich und verschwand im Innern des Wagens, um nur wenige Augenblicke

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