Die Tochter der Seidenweberin
das nie so gesagt.
»Schaffen sogar eigens Ämter, damit sie ihre Genossen, wenn diese aus dem Rat ausscheiden, auch wohlversorgt wissen«, setzte der Student obenauf.
»Und wenn das Geld wieder all ist, erhöhen sie – frech wie Dreck – einfach die Steuern«, rief ein grobschlächtiger Bierbrauer. »Oder geben auf der Rentkammer leichtes Geld für schweres Silber aus.«
Als Rudolf einen gefüllten Becher vor ihm abstellen wollte, schüttelte er den massigen Schädel und klopfte stattdessen gegen eine verkorkte Steingutflasche, die er vor sich stehen hatte. Er verabscheute Wein und hatte daher gleich sein eigenes Gebräu mitgebracht.
Rudolf sah großzügig darüber hinweg. Es würde genug gesoffen werden an diesem Abend. Denn reden macht durstig, und viel reden macht sehr durstig. Und reden, das taten sie beileibe genug, die Herren.
»Das Beste ist, sie fragen nicht einmal den gesamten Rat – nein, im Geheimen treffen sie sich und hecken ihre Schandtaten aus«, ereiferte sich ein kräftiger junger Mann, dessen Oberlippe so weit vorsprang, dass Rudolf fürchtete, den größten Teil des Weines aus dessen Becher später vom Boden aufwischen zu müssen.
»Genau! Die setzen sich da zusammen in ihren geheimen Kränzchen und mauscheln, was das Zeug hält«, meldete sich wieder der Steinmetz zu Wort.
Rudolf unterdrückte ein Schmunzeln. Was taten diese Herren hier denn anderes bei ihm im Hinterzimmer, fragte er sich belustigt. Doch in manchem, was die heimlichen Gäste anprangerten, musste Rudolf ihnen recht geben. Nichts hatte sich an den Missständen geändert, die nach dem Neußer Krieg zum Aufstand des Gürtelmachers Hemmersbach geführt hatten, der am Aschermittwoch vor nun fast zwanzig Jahren vom Rat niedergeschlagen worden war.
Im Gegenteil. Zu den hohen Steuerlasten, welche die Bürger zu tragen hatten, und dem Ämtermissbrauch seitens des Rates hatte dieser sich nun auch noch der Günstlingswirtschaft und der Unterschlagung städtischer Gelder schuldig gemacht. Der Rat musste aufpassen, wenn er nicht bald wieder einen Aufruhr niederknüppeln lassen wollte.
Als Rudolf eine Weile später erneut das Hinterzimmer betrat, um die geleerten Krüge einzusammeln und die nächste Runde zu kredenzen, hatte sich die Stimmung im Raum merklich aufgeheizt.
»… besten, wir bringen die Schweinehunde allesamt um!«, rief der Steinmetz aufgebracht. Seine grünen Augen glitzerten fiebrig im Grau seines Gesichts.
»Jawohl! Jetzt sofort!«, stimmte der Mann mit der vorspringenden Oberlippe zu.
Rudolf erschrak. Das hier sah gefährlich nach beginnendem Aufruhr aus, und er bereute bereits, der Versammlung sein Hinterzimmer überlassen zu haben.
Just in diesem Moment sprang der gewöhnlich so ruhige Mertyn Ime Hofe auf und schob seinen Stuhl mit einem Ruck zurück. »Ohne mich!«, verkündete er entschieden. »Damit macht ihr euch mit diesem Lumpengesindel gemein. Und was bringt es, wenn ihr sie umbringt? Dann folgen andere von ihrem Schlag nach. Andere, die sie jetzt schon in ihre Ämter gehievt haben. Mord und Aufruhr schaden allen. Euch selbst und euren Familien. In einer so großen Stadt wie unserer kann man nur friedlich zusammenleben, wenn alle Recht und Ordnung respektieren.«
Die Hetzreden waren verstummt, die Blicke aller gespannt auf Mertyn gerichtet. Als vermögender Kaufmann war Ime Hofe zwar nicht einer von ihnen, aber als Sohn eines Neubürgers gehörte er auch nicht zum Filz der alteingesessenen Familien, war also auch nicht einer von denen.
»Recht und Ordnung!«, schnaubte der Bierbrauer. »Wir sollen uns an Recht und Ordnung halten, während die feinen Herren machen, was sie wollen! Wir haben die Schnauze voll! Bis hierhin.« Er hielt seine fleischige Rechte unter seine Nase, um ihnen allen zu zeigen, bis wohin er die Machenschaften des Rates stehen hatte.
»Wie lange sollen wir uns das noch gefallen lassen?«, rief auch der Bursche mit der vorspringenden Lippe. »Es ist Zeit, zu handeln! Höchste Zeit!«
»Wir müssen etwas tun! Wir können das doch nicht tatenlos mit ansehen!«, pflichtete ihm der Student bei, seine Stimme überschlug sich vor Aufregung.
»Ich gebe euch recht. Ihr müsst etwas tun«, sagte Mertyn. »Aber den Ratsherren die Hälse umzudrehen, führt zu gar nichts. Glaubt es mir. Es bringt euch nur auf das Schafott!«
»Davor fürchten wir uns nicht!«, rief der Student dazwischen, doch mit dieser Meinung stand er wohl allein. Seine Mitverschworenen murrten nur.
»Ihr könnt
Weitere Kostenlose Bücher