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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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sprach, zappelte und quiekte Pablo, als wäre er ein Ferkel kurz vor der Schlachtung. »So ungezogen habe ich das Kerlchen noch nie erlebt.« Rudolf hielt Pablo im Nacken fest, bis er schließlich Ruhe gab.
    »Ich fürchte, das ist seine Männlichkeit.« Lena seufzte. »Eberhard und Ulf haben ein paar läufige Jagdhündinnen.«
    »Oh.« Das Feuer, das seit Tagen in ihm gloste, schien neue Nahrung erhalten zu haben und loderte hell auf.
    »Rudolf, was hast du vor?«
    »Nichts Besonderes.« Er lächelte breit. »Darf ich Pablo eine Weile bei mir behalten?«
    »Wozu?«
    »Ich würde gern ein wenig mit ihm spazieren gehen, um ihn abzulenken.«
    »Du glaubst, das lenkt ihn ab?«
    »Kommt auf die Richtung an.«
    »Du willst doch nicht etwa …« Unwillkürlich musste Lena das Lächeln ihres Sohns erwidern. »Doch – ich sehe, du wirst es tun.«
    Rudolf nickte. »Wir Männer müssen zusammenhalten, stimmt’s, Pablo?« Er strich dem Hund über den Kopf und setzte ihn auf dem Boden ab.
    »Ist er nicht erstaunlich schnell auf seinen kurzen Beinen, Mutter?«
    »Du bist unmöglich, Rudolf.« Schmunzelnd schüttelte sie den Kopf. »Pass nur auf, dass ihm nichts geschieht!«
    Irmelas Auftritt hatte Früchte getragen, denn Ulf und Eberhard erschienen am Abend pünktlich zum gemeinsamen Mahl im Kaminsaal. Auch die Patres Hugo und Pius gesellten sich zu der Tafelrunde. Alheidis zwinkerte Lena verschwörerisch zu und erinnerte an das vorlaute kleine Mädchen, das sie früher einmal gewesen war. Damals, während der unbeschwerten Sommermonate auf Gut Eversbrück, lange bevor Blut und Tod Lenas Schicksal bestimmt hatten.
    Nur Meinolf fehlte. Dass er sich freiwillig zurückhielt, statt um seinen Status als anerkannter Sohn zu kämpfen, bezweifelte Lena. Sicher plante er irgendetwas.
    Kaum hatte sie sich wieder der Tischgesellschaft zugewandt, wurde die Tür geöffnet, und Meinolf trat ein, ganz so, als hätte er ihre Gedanken erraten.
    »Verzeiht meine Verspätung!« Er nickte artig in die Runde und nahm Lena gegenüber Platz. »Ich bin leider aufgehalten worden.« Er seufzte tief. »Ich fürchte, ich bringe keine guten Nachrichten, Gräfin Helena.«
    Seine Miene zeugte von Betroffenheit, doch in seinen Augen sah Lena eine hellrote Seelenflamme. Die Flamme der Heißblütigen und Skrupellosen.
    »Welche Nachricht habt Ihr für mich, Herr Meinolf?«
    Meinolf senkte den Blick. »Es tut mir aufrichtig leid, Euch mitteilen zu müssen, dass Eure Tochter Antonia ertrunken ist.«
    Lena drohte das Herz stehen zu bleiben. Die Schreckensschreie, die die Frauen ausstießen, nahm sie kaum wahr, sah aber umso deutlicher, wie Pater Hugo und Pater Pius sich bekreuzigten.
    »Was sagt Ihr?«, fragte sie mit tonloser Stimme. Wieder suchte sie Meinolfs Blick, und diesmal hielt er ihr stand. Seine Flamme leuchtete blutrot. Nur zweimal in ihrem Leben hatte Lena eine blutrote Seelenflamme gesehen. Augen, aus deren Tiefe schon die Hölle loderte. Verzweifelt versuchte sie zu deuten, was sie sah. War es der Triumph über ihren Verlust oder über seine Lüge? Über eine Lüge, die sie schlimmer treffen musste als ein tödlicher Pfeil? Ihr wurde schwindelig. Nein, dachte sie. Nur keine Schwäche zeigen! Er lügt. Er ist bekannt als guter Lügner.
    Ängstlich griff Meret nach ihrer Hand. Lena erwiderte den Händedruck mit gewohnter Festigkeit. Ihre jüngste Tochter sollte spüren, dass sie diese Lüge nicht glaubte.
    Rudolf sprang seiner Mutter sofort bei. »Was fällt Euch ein, derartigen Unsinn zu erzählen?«, fuhr er Meinolf an. »Meine Schwester ist nicht ertrunken. Sie kann schwimmen.«
    »In einem reißenden Fluss, nachdem sie vom Pferd gestürzt ist?«
    »Antonia kann auch reiten, Herr Meinolf. Vermutlich besser als Ihr. Und nun hört auf, meine Mutter mit Euren Lügen in Angst und Schrecken versetzen zu wollen! Andernfalls ziehe ich Euch über den Tisch und wische mit Euch den Boden sauber.«
    »Rudolf, bitte hör auf!« Lena war aufgestanden und berührte ihren Sohn am Arm. Ihre Gedanken ordneten sich nur langsam. Sagte Meinolf die Wahrheit? Nein, das konnte sie nicht glauben. Mit Sicherheit handelte es sich um eine Teufelei, mit der er ihre Seele tödlich verwunden wollte. Sie atmete tief durch. »Erklärt mir den Vorfall genauer, Herr Meinolf!«
    »Wollt Ihr Euch nicht lieber wieder setzen, Gräfin Helena? Ihr seid bleich wie der Tod. Nicht, dass Ihr noch umfallt.«
    Diese scheinheilige Fürsorge war das Schlimmste. Nicht nur für sie. Bevor sie es

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