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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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verhindern konnte, hechtete Rudolf über die Tafel und riss dabei Pokale, Schüsseln und Speisen vom Tisch.
    »Ich habe dich gewarnt!«, schrie er und packte Meinolf. Der war im ersten Augenblick verblüfft, dann versuchte er sich zu wehren. Vergeblich, denn das Feuer verlieh Rudolf wie jedes Mal ungeahnte Kräfte.
    »Rudolf«, rief Lena, »lass ihn los!«
    Doch er hörte nicht auf sie, schlug auf Meinolf ein, und als Eberhard dazwischengehen wollte, fing auch er sich einen heftigen Faustschlag ein. Ulf rief nach den Wächtern.
    »Rudolf!«, versuchte Lena es noch einmal, aber ihr Sohn schien sie nicht wahrzunehmen. Mehrere Waffenknechte stürzten in den Kaminsaal. Meinolf lag mit blutender Nase am Boden, Eberhard hatte eine aufgeplatzte Augenbraue davongetragen.
    »Oh, nur drei?« Rudolf lachte, als er die Männer gewahrte. »Dann kommt näher und holt euch eure verdienten Prügel ab!«
    »Rudolf!«, schrie Lena, so laut sie konnte.
    »Später, Mutter! Ich habe gerade zu tun.« Und schon knirschte das nächste Nasenbein unter seinen Fäusten.
    Es bedurfte letztlich der Anstrengung von sieben Männern, um Rudolf zu bändigen und aus dem Saal zu schaffen.
    »Dafür landet er im Kerker!«, zischte Ulf.
    Lena schwieg, konnte sie Ulf die zornigen Worte doch nicht einmal verdenken. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Rudolf die Beherrschung verlor. Und solange das Feuer ihn verzehrte, würde er auch im Kerker nicht verzweifeln, sondern den Wächtern das Leben so schwer wie möglich machen.
    »Bitte berichtet mir noch einmal, was mit meiner Tochter Antonia ist, Herr Meinolf! Wer hat gesehen, dass sie tot ist?«
    Meinolf drückte sich ein Tuch gegen die blutende Nase.
    »Meine Männer, die sie verfolgten.«
    »Was genau haben sie gesehen?«
    »Eure Tochter stürzte in den Fluss und ertrank.« Er wischte sich mit dem blutigen Tuch über die Nase und betastete sie vorsichtig.
    »Ich fürchte, die bleibt schief«, bemerkte Eberhard.
    »Herr Ulf«, wandte Lena sich an Meinolfs Vater, »wenn die Worte Eures Sohns der Wahrheit entsprechen, hätte mein Gatte mir eine Botschaft geschickt. Werdet Ihr sie mir aushändigen?«
    »Ich habe keine Botschaft erhalten.«
    »Nun, dann gehe ich davon aus, dass meine Tochter noch lebt.« Lena straffte sich. »Ich erwarte, dass Ihr mich morgen zu meinem Sohn lasst, sobald er sich etwas beruhigt hat.«
    »Darauf könnt Ihr lange warten!«, knurrte Ulf.
    »Wenn es sein muss. Aber die Verantwortung tragt dann Ihr.«
    »Was soll das nun wieder heißen?«
    »Das werdet Ihr schon merken, Herr Ulf. Komm, Meret, wir gehen! Gute Nacht allerseits.«

 41. Kapitel  
    H e, wann schrubbt ihr hier endlich einmal den Boden?«, schrie Rudolf die Waffenknechte durch die geschlossene Tür an. »Und eure Ratten solltet ihr auch besser füttern. Die sind schon bis auf die Knochen abgemagert.«
    Obwohl auch er einige Schläge hatte einstecken müssen, fühlte er sich kräftig und jeder Herausforderung gewachsen. Die Kerkerwände von Burg Regenstein waren gemauert, der Boden hingegen bestand aus felsigem Untergrund. Von der Seite fiel fahles Licht durch eine Fensteröffnung. Rudolf erhob sich von seinem Strohlager und begutachtete die Öffnung. Sie war nicht vergittert, befand sich aber so hoch oben, dass er nicht hinaussehen konnte. Nun, das ließ sich ändern. Er nahm einen kurzen Anlauf, sprang und griff mit beiden Händen nach dem Sims. Es bereitete ihm wenig Mühe, sich hochzuziehen und mit den Füßen an der Wand abzustützen. Das Fenster war so groß, dass sich ein ausgewachsener Mann hindurchzwängen konnte, aber noch zögerte er. Ein Blick nach draußen zeigte ihm, warum das Fenster nicht vergittert war. Das Verlies befand sich nahe der höchsten Stelle des Berggrats. Rudolf zog sich noch weiter nach oben, bis er mit dem Oberkörper über dem Sims hing, und sah hinaus. Rechts vom Fenster ging das Mauerwerk in glattes Felsgestein über, links davon ragte eine schroffe Bergwand auf. Die Felskanten waren so steil, dass niemand daran hinabklettern konnte, ohne in den Tod zu stürzen. Der Wald tief unten wirkte so winzig, als wäre er ein Moosteppich.
    Ein Blick nach oben verriet Rudolf, dass der Weg zum Dach nicht minder steil war. Allerdings waren die untersten Schindeln knapp eineinhalb Mannshöhen über seinem Fenster angebracht. Für einen Mann mit seinen Fähigkeiten eine Kleinigkeit. Säße er erst einmal auf dem Dach, würde er weitersehen. Die Regensteiner sollten sich noch wundern. Er

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