Die Tochter der Suendenheilerin
Fall eines Missverständnisses dürfte es Euch umso leichter fallen, mir einen Beweis für das Wohlbefinden meines Sohns Rudolf zu erbringen, Herr Meinolf. Wie wäre es, wenn Ihr meinen Gatten auf Burg Birkenfeld aufsucht? Keine Sorge, er wird Euch in Eurer Eigenschaft als Bote kein Haar krümmen und Euch nicht zu seiner Geisel machen. Er ist ein Ehrenmann.«
»Ich bin nicht Euer Laufbursche.«
»Dann schickt einen anderen!«
»Wir schicken überhaupt niemanden!«, donnerte Ulf. »Ihr habt uns nichts zu befehlen, Frau Helena!«
»Das ist kein Befehl, Herr Ulf. Das ist eine verständliche Bitte, nachdem ich wiederholt beobachten musste, dass Euer Verhalten ganz und gar nicht den ritterlichen Gepflogenheiten und dem Fehderecht entspricht.«
»Ich muss auch sehr bitten, Herr Ulf«, sprang Pater Hugo der Gräfin abermals bei. »Der Anstand gebietet einen solchen Schritt. Zudem kann ich in keiner Weise gutheißen, dass einer Mutter mit einem Anschlag auf ihr Kind gedroht wird. Nach allem, was ich auf Burg Regenstein erlebt habe, muss ich bei meiner Rückkehr ein ernstes Wort mit dem Bischof wechseln. Es nähme mich nicht wunder, wenn er in Eurem Fall sogar die Exkommunikation in Erwägung zöge.«
»Die … Exkommunikation?« Ulf erblasste. »Was soll dieser Unsinn?«
»Nun, Ihr erweckt nicht den geringsten Eindruck, Eure Sünden zu bereuen und wohlgefällig in den Schoß der Kirche zurückkehren zu wollen. Würde man über Eure Sünden Buch führen, bedürfte es vermutlich zweier starker Männer, um dieses Buch auch nur anzuheben.«
»Das ist ungeheuerlich! Ich verbiete Euch, auf diese Weise mit mir zu reden!«
»Werdet Ihr mir nun auch mit dem Tod drohen, um meine Rückkehr zum Bischof zu verhindern?« Der Pater verschränkte die Arme vor der Brust und maß den Grafen mit strengem Blick.
»Ulf, denk an dein Seelenheil!«, rief Irmela. »Ich flehe dich an! Willst du der ewigen Verdammnis der Hölle anheimfallen?«
»Herr Graf, ich bitte Euch ebenfalls – geht in Euch!«, beschwor ihn nun auch Pater Pius, der bislang schweigend an der Tafel gesessen hatte. »Stolz und Hochmut führen auf geradem Weg in die Hölle und Verdammnis!« Er bekreuzigte sich.
»Jetzt reicht’s mir!« Ulf erhob sich und verließ die Tafel.
»Warte, Vater!« Auch Meinolf sprang auf und folgte ihm. Eberhard überlegte, ob er ebenfalls aufstehen sollte, entschied sich dann aber doch für das Essen. Seine fünf Silberdenare konnte er noch früh genug von Meinolf einfordern.
»Hättet Ihr genügend Einfluss auf Euren Vater, damit er in sich geht, Herr Eberhard?«, fragte Pater Hugo. »Denkt daran, es geht um sein Seelenheil!«
»Ja, Vater, sprich mit Großvater!«, bat Sibylla. »Warum sollten wir uns Meinolfs Unverschämtheiten noch länger gefallen lassen? Sie beschmutzen unsere Familie und rauben unserem Großvater das ewige Leben.«
Für einen Augenblick hatte Eberhard das Gefühl, Madlens Stimme zu hören. Sibylla sah ihrer Mutter immer ähnlicher. Und sie hatte recht. Es wurde höchste Zeit, dass er seinen Anspruch geltend machte. Er war der künftige Erbe, Meinolf nur ein frecher Bastard, der dankbar sein sollte, dass er wie ein rechtmäßiger Sohn behandelt wurde.
»Ich kümmere mich darum«, versprach er seiner Tochter. »Gräfin Helena, Ihr hattet recht, die Pflaumen sind ganz ausgezeichnet.«
Warum die Gräfin über diese Bemerkung lachte, verstand er allerdings nicht.
Nach dem Mahl suchte Eberhard den Rittersaal auf. Er hatte Streitigkeiten erwartet, gehofft, dass sein Vater seine Wut an Meinolf auslassen würde. Stattdessen saßen die beiden friedlich an der Tafel, vor sich einen Krug mit Wein und zwei zur Hälfte gefüllte Pokale.
Als Eberhard sich setzte, warf Meinolf fünf Silberdenare auf den Tisch.
»Genieß deinen Triumph, Bruderherz!«
»Vielen Dank.« Eberhard steckte die Geldstücke ein. »Und was wirst du nun tun, Meinolf? Was ist von deinem viel gerühmten Biss übrig geblieben?«
»Dieses Weib ist gefährlich. Wir müssen sie loswerden, bevor sie weiteres Unheil anrichtet.«
»Ich hoffe, du denkst nicht an Mord.«
Meinolf funkelte ihn böse an. »Das würde die Schwierigkeiten nur vergrößern und nicht beheben.«
»Dann bin ich beruhigt. Also, was hat dein genialer Verstand, den wir alle so sehr bewundern, stattdessen ausgebrütet?«
»Spar dir deinen Spott!«
»Kein neuer Geistesblitz? Du enttäuscht mich, Meinolf.«
»Hört auf, euch wie Waschweiber zu zanken!«, fuhr Ulf dazwischen.
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